Machtwechsel in den USA Die EU blickt verunsichert nach Washington

Brüssel · Brüssel rätselt über den außenpolitischen Kurs: Setzt Trump schon unmittelbar nach seiner Amtsübernahme erste Akzente in Richtung Europa?

 Will statt "psychologischer Analysen" gelassen die ersten Schritte abwarten: Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Vizepräsident des Europäischen Parlamentes.

Will statt "psychologischer Analysen" gelassen die ersten Schritte abwarten: Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Vizepräsident des Europäischen Parlamentes.

Foto: picture alliance / dpa

Es ist eine tief verunsicherte Union, die an diesem Freitag nach Washington sieht. Die besorgte Aufmerksamkeit gilt weniger der feierlichen Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump, sondern dessen Ankündigung, schon unmittelbar danach erste Dekrete zu unterzeichnen. Wird es bereits in diesen Erlassen Andeutungen eines neuen außenpolitischen Kurses geben? „Man sollte den Atlantik nicht breiter machen, als er ist“, bemühte sich der Vizepräsident des Europäischen Parlamentes, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), gestern, statt „psychologischer Analysen“ gelassen die ersten Schritte abzuwarten. „Für mich ist entscheidend, ihn an seinen Taten zu messen.“

Das dürfte nötig sein, zumal Trump mit seinen Worten für genügend Wirbel gesorgt hatte. Allerdings gab sich die Brüsseler EU-Kommission nach dem Interview Trumps eher desinteressiert und nach außen hin ruhig. „Wir haben das Interview gelesen“, bestätigte ein Sprecher am Wochenanfang. Als er gefragt wurde, ob das alles sei, was man zu Trumps Äußerungen sage, dass nach Großbritannien auch andere Länder die EU verlassen würden, ergänzte der Sprecher nur ein schlichtes „Ja“.

Doch der Eindruck täuscht. Hinter den Kulissen wird heftig diskutiert, und dabei schält sich immer deutlicher vor allem eine Überzeugung heraus: „Wir haben eine Partnerschaft mit den USA, und die sollten wir nicht aufkündigen“, betonte der scheidende Chef des außenpolitischen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU). „Aber wir müssen unsere Interessen wahren.“ Bei Lambsdorff klingt das ähnlich: „Wir werden nur etwas erreichen, wenn wir geschlossen auftreten.“

Wie das konkret aussehen könnte, machte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos gestern deutlich: Er drängte auf ein schnelleres und tieferes Zusammenwachsen der Euro-Zone. Was das konkret bedeuten könnte, sagte der französische Politiker bereits unmissverständlich: Der Euro-Raum soll einen eigenen Etat bekommen und einen EU-Finanzminister. Außerdem brauche man mehr institutionelle und politische Werkzeuge, um zu einer erkennbaren Größe zusammenzuwachsen. Moscovici: „Es ist Zeit zu beschleunigen.“

Lambsdorff nannte die Rhetorik Trumps sogar einen „Weckruf für Europa“.

Doch es sind keineswegs nur die Worte Trumps, die Brüssel rätseln lassen, sondern auch die Freunde aus der Union, mit denen sich der nächste US-Präsident umgibt. Dass ausgerechnet Nigel Farage, einer der Väter des britischen Ausstiegs aus der Gemeinschaft, am heutigen Freitag als Ehrengast der feierlichen Amtsübernahme beiwohnt, will den EU-Spitzen nicht so recht in den Kopf. Zwar stellte sich ein Foto, das die französische Front-National-Chefin Marine Le Pen im Trump-Tower zeigte, lediglich als touristischer Schnappschuss heraus. Doch die Befürchtung wächst, dass Europas Rechtspopulisten sich von dem neuen Mann im Weißen Haus neuen Aufschwung versprechen. Das wäre am Beginn eines wichtigen Wahljahres mit Urnengängen in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und möglicherweise auch Italien eine Wirkung, die man in Brüssel mit allen Mitteln vermeiden will. Von daher, so heißt es, werde viel vom Erscheinungsbild der Union abhängen und der Frage, wie geschlossen sie sich in den kommenden Monaten präsentiert.

Der nächste Test für die EU steht fest: Am 3. Februar treffen sich die 27 Staats- und Regierungschefs ohne Großbritannien auf Malta, um die Flüchtlingskrise zu besprechen – und zu lösen?

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