Kommentar zum Klimavorstoß der EU-Kommission Die Gunst der Stunde

Meinung · EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete hat in Zeiten des Hitzesommers die Gunst der Stunde genutzt und neue Klimaziele vorgeschlagen. Ob die Länder da mitziehen werden, ist allerdings höchst ungewiss, sagt GA-Redakteur Lutz Warkalla.

 Die EU-Kommission will das offizielle Klimaziel der Europäischen Union für 2030 deutlich hochschrauben.

Die EU-Kommission will das offizielle Klimaziel der Europäischen Union für 2030 deutlich hochschrauben.

Foto: picture alliance/dpa

Wenn es eins gibt, was Politiker nicht mögen, dann ist es das Denken in größeren Zeithorizonten. Der natürlich vorgegebene Rahmen ist die Legislaturperiode: Was sich in diesem Zeitraum erreichen lässt – im aktuellen Falle also bis 2021 –, hat absolute Priorität. Deshalb hat es die Klimapolitik in der politischen Debatte so schwer: Ihre Zielmarken liegen bei 2030, 2050 oder noch weiter in der Zukunft. Für die Herausforderungen, die sich bis dahin stellen, Strategien zu entwickeln und vor allem umzusetzen, zahlt sich wahltaktisch in der Regel nicht aus, vor allem wenn diese Strategien schon jetzt mit Einschränkungen verbunden sind, aber Resultate noch lange nicht absehbar sind.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Vorstoß der EU-Kommission, die Klimaziele der Europäischen Union zu erhöhen, in der Politik auf eher verhaltene Reaktionen stößt. Ist es nicht ohnehin fraglich, ob das bisherige Ziel, eine Senkung der Treibhausgase bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990, überhaupt erreicht werden kann? Warum dann noch einmal fünf Prozent draufpacken?

Unterschiedlicher Ehrgeiz der Länder

Womöglich hat Klimakommissar Miguel Arias Cañete einfach die Gunst der Stunde genutzt zu einem Versuch, die europäische Klimaschutzpolitik noch einmal anzuschieben. Der Hitzesommer mit einer hier noch nie registrierten Trockenperiode mag vorerst ein klimatischer Ausreißer sein. Aber er hat den Menschen nicht nur in Deutschland, sondern in großen Teilen Europas drastisch vor Augen geführt, was auf uns zukommt, wenn die Wetterausnahme zur Regel wird.

Dann wird es nicht mehr nur um die Senkung des Treibhausgasausstoßes gehen, sondern vermehrt auch um kostspielige Schadensbewältigung (siehe die Forderungen der Bauern oder die Hilfe für von Starkregen Betroffene) und Anpassungsstrategien. Die Länder des Südens, in denen die Folgen des Klimawandels schon länger unübersehbar sind, könnten uns einiges darüber erzählen.

Klimakommissar Cañete ist davon überzeugt, dass die neuen Ziele erreicht werden können, wenn die bereits bestehenden Beschlüsse zum Energiesparen und zum Ausbau der erneuerbaren Energien umgesetzt werden. Aber genau da liegt die Crux: Der klimapolitische Ehrgeiz ist bei den einzelnen EU-Ländern höchst unterschiedlich ausgeprägt. Auch in Deutschland lässt sich am Beispiel des Kohleausstiegs eindrucksvoll beobachten, wie schwer sich eine Regierung damit tut, gegen den Druck von einflussreichen Verbänden und Unternehmen einen als sinnvoll und notwendig erachteten Strukturwandel zügig umzusetzen. Und dabei ist die Kohle nur der Anfang: Ohne eine fundamentale Wende in der Verkehrs- und in der Agrarpolitik bleibt der Kampf gegen den Klimawandel aussichtslos. Das ist Herausforderung und Chance zugleich. Die Wähler – und die Industrie – jetzt davon zu überzeugen, wäre Aufgabe der Politik. Aber da sind wir wieder am Anfang.

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