Flüchtlingsstreit in der Koalition Die Tücke des Details

BERLIN · Sollen unbegleitete Kinder und Jugendliche in jedem Fall ihre Eltern nachholen dürfen? Während die Koalition darüber streitet, stoßen neue Forderungen aus der CDU für Asylrechtsverschärfungen auf Kritik.

 Zwei Flüchtlingskinder stehen in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Hameln (Niedersachsen) vor einer Wand, auf der sich junge Flüchtlinge aus der ganzen Welt mit bunten Handabdrücken verewigt haben.

Zwei Flüchtlingskinder stehen in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Hameln (Niedersachsen) vor einer Wand, auf der sich junge Flüchtlinge aus der ganzen Welt mit bunten Handabdrücken verewigt haben.

Foto: dpa

So ist es dann eben: Die Kollegen aus dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend haben einfach nicht genau genug gelesen, was die Kollegen aus dem Bundesinnenministerium als Gesetzentwurf abgeliefert haben. Im strittigen Fall geht es um die Abteilung „Jugend“, hier: die Flucht minderjähriger Schutzbedürftiger nach Deutschland und den Nachzug ihrer Eltern. Gerade mal 214 solcher Fälle waren im Jahr 2014 registriert, wie das Bundesinnenministerium gestern mitteilte.

Im vergangenen Jahr haben nach bisher ausgewerteter Statistik sogar nur 105 minderjährige Iraker, Syrer oder Afrikaner ohne Mutter und Vater die Flucht nach Deutschland geschafft, die dann aber, so glaubten bislang die SPD und ihre Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, ihre Eltern würden nachholen können.

Um dieses nicht unwesentliche Detail des Asylpaketes II, das die Bundesregierung und somit auch Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) wie auch Ministerin Schwesig einvernehmlich beschlossen haben, rankt sich nun neuer Streit in der großen Koalition. Der Streitpunkt: Die vom Kabinett in der vergangenen Woche beschlossene Fassung des Gesetzentwurfes, wonach der Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt werden soll, enthält nicht die Festlegung, dass für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge diese Aussetzung eben nicht gelten soll.

Das Bundesfamilienministerium räumte gestern in Berlin offen ein, dass die eigenen Fachbeamten diese nun fragliche Passage des Gesetzentwurfes aus dem Hause von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) offenbar „falsch“ eingeschätzt hätten. „Die Veränderungen im Text sind uns aufgefallen, aber wir haben die Tragweite anders eingeschätzt“, so eine Sprecherin Schwesigs. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es dazu nur trocken, die Gesetzentwürfe seien exakt „so gemeint, wie wir sie in die Ressortabstimmung geben“.

Nun sind de Maizière und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gefragt, für die strittige Gesetzespassage eine einvernehmliche Interpretation und Regelung zu finden. Spekulationen, in der Bundesregierung könnte womöglich getrickst worden sein, weist Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz zurück: „Zweifel an einem fairen Umgang in der Bundesregierung habe ich nicht.“ Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte: „Es ist unfassbar. Bei einem so schlechten Vorhaben, mit so heftigen Auswirkungen auf minderjährige Flüchtlinge, weiß die eine Regierungsseite nicht, was die andere macht.“

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), zugleich Flüchtlingskoordinator der Regierung, äußerte sich jedenfalls zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages, „so wie er beschlossen worden ist, unverändert im Bundestag eingebracht wird“.

Das Kinderhilfswerk terre des hommes kritisierte die Regelung des Asylpaketes II scharf, wonach unbegleitete Kinder und Jugendliche ihre Eltern frühestens in zwei Jahren nachholen dürfen. Das Asylpaket II verstoße mit diesem Passus gegen die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland ratifiziert habe, sagte Kinderrechtsexpertin Barbara Küppers dem Evangelischen Pressedienst. Viele der Kinder und Jugendliche seien von Krieg und Flucht traumatisiert. „Da wäre es fatal, wenn sie jetzt die Aussicht verlören, ihre Eltern jemals wiederzusehen.“

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