Kommentar zur Hongkong-Krise Ein Dilemma

Meinung | Berlin · Peking mahnt, die Ordnung in der Sonderverwaltungszone Hongkong müsse wiederhergestellt werden. Auf die Forderung einer Unabhängigkeit Hongkongs wird sich die Führung in Peking nicht einlassen, kommentiert Felix Lee.

Als die Briten 1997 nach 155 Jahre britischer Kolonialherrschaft das Territorium dem chinesischen Staat übergaben, hatte die Volksrepublik den Hongkongern für weitere 50 Jahre wirtschaftliche, innenpolitische, soziale und kulturelle Souveränität zugesichert. Chinas Führung setzte darauf, dass sich die beiden völlig unterschiedlichen Systeme schrittweise annähern wurden.

Das Gegenteil ist der Fall. Die seit mehr als zwei Monate anhaltenden Proteste haben deutlich gemacht, dass in Hongkong eine Generation herangewachsen ist, die mit demokratischen Werten so selbstverständlich aufgewachsen ist wie junge Menschen im Westen. Auch kulturell ist sie jungen Berlinern ähnlicher als jungen Pekingern. Und anders als ihre Elterngeneration profitiert sie auch nicht von Chinas Aufstieg. Im Gegenteil: Sie leidet unter dem Ansturm reicher Festlandchinesen in ihre Stadt, den exorbitant hohen Immobilienpreisen und den teuren Geschäften, die auf die kaufkräftigen Touristen von der Volksrepublik ausgerichtet sind.

Für Hongkong ist diese Entwicklung ein Dilemma. Politisch muss die Stadtregierung den Vorgaben der autoritären Führung in Peking folgen; ihr bleibt gar keine andere Wahl. Hongkongs junge Generation hingegen hat sich mental entfernt von China. Die einst erhoffte Annäherung ist eine Wunschvorstellung geblieben.

Auf die Forderung einer Unabhängigkeit Hongkongs wird sich die Führung in Peking nicht einlassen. Das kann sie in ihrer Logik gar nicht. Denn das würde ihr im eigenen Land als Schwäche ausgelegt. Noch will es die Zentralregierung nicht darauf ankommen lassen, die Proteste in Hongkong blutig niederzuschlagen und setzt darauf, dass die Hongkonger Regierung für Ruhe sorgt. Doch Peking scheut sich auch nicht vor einem Eingreifen.

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