G7-Gipfel in Bayern Ein "Grüß Gott" von Barack Obama

KRÜN · Das Dörfchen Krün feiert das größte Ereignis seiner Geschichte. Der US-Präsident schaut auf Bier und Weißwurst vorbei. Die Bayern sind begeistert, auch weil die Proteste gegen das Treffen weitgehend friedlich bleiben

Der "Sechser im Lotto" ist jetzt da. Rudolf Kriner spricht von einem "Jahrhundertereignis". 300 Meter von der Stelle, an der US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel gleich zu den Bürgern von Krün sprechen werden, betreibt Kriner mit seinem Bruder ein Busunternehmen. "Ferienglück" haben die Kriners ihre Firma getauft. Ihr Programm: Fahrten durch ganz Europa, aber auch heimatnahe Touren zu ausgesuchten Almen. "Aber es lässt nach", beschreibt Kriner die Touristik-Konjunktur. Doch jetzt "mit dem Sechser im Lotto, dass die zu uns kommen", hofft Kriner auf einen Besucher-Schub durch die Krün-Weltwerbefiguren Obama und Merkel.

Was noch fehlt? Naja, Obama wird gleich sagen, dass er leider seine Lederhose vergessen habe und dass er soeben, zu seiner Begrüßung, "die beste Alphorn-Aufführung, die ich jemals gehört habe!", erlebt habe. Alles wunderbar. Ob für Obama jemals zuvor ein Alphornbläser-Ständchen gegeben wurde, ist nicht überliefert, aber bitte: geschenkt. Außerdem versichert der US-Präsident, er wolle sich, falls sich die Gelegenheit ergibt, noch eine Lederhose kaufen. Alles wunderbar.

Große Show bei perfektem Wetter. Keine Wolke am Himmel, wo noch am Abend zuvor der Himmel seine Schleusen über der Region geöffnet hatte als gäbe es kein Morgen. Der Wolkenbruch war derart gnadenlos, dass es Befürchtungen gab, es könnte das Basiscamp der G7-Gegner in Garmisch-Partenkirchen wegspülen, wo die örtlichen Behörden doch gerade wegen der Nähe zum Fluss Loisach das Zeltlager wegen der Hochwassergefahr ursprünglich nicht genehmigt hatten. Erst das Verwaltungsgericht München kippte dann das Campverbot.

Kriner jedenfalls würde von Obama gerne einen denkwürdigen Satz hören, etwas nach der Art Kennedys seinerzeit in Berlin: "Ick bin ein Berliner." So etwas könnte Obama doch in Krün lassen: "I bin a bayerischer Bua." Das wäre doch etwas - "Made in Krün" mit seinen 1900 Einwohnern. Doch Obama ist bescheidener. Ein "Grüß Gott" gleich zu Beginn seiner Grußadresse an die Dorfbewohner, die ihm von umliegenden Balkons unter Lüftlmalerei zuwinken oder, wenn sie zu den Trachtler-Honoratioren gehören, etwas näher am US-Präsident auf dem Rathausplatz sitzen dürfen, muss genügen. Merkel wiederum muss Kriner nichts mehr beweisen. Sie hat schon geliefert: "Absoluter Respekt für Merkel. Meines Erachtens ist das eine Maschine. Und läuft rund", sagt Kriner, der sich als Busunternehmer mit langlebigen Motoren auskennt.

Eine Hoffnung hat Kriner noch. Obama soll sich "mit Putin wieder verstehen". Auch Heribert Glasl (80) wünscht sich: "Auf alle Fälle wieder mit den Russen reden." Josefine von Schumann (60), Besucherin aus Koblenz, hofft ebenfalls, dass Obama und Merkel "weiter für den Weltfrieden verhandeln", dass alle Menschen auf diesem Erdball "gut zu essen und zu trinken haben. Nicht nur uns soll es gut gehen."

So stehen Merkel und Obama vor dem herausgeputzten Rathaus von Krün, links von ihnen das Soiern-Gebirge, der Hausberg der Krüner, daneben das Karwendel-Gebirge. Ein perfektes Panorama für perfekte Bilder. Dieser G7-Gipfel liefert auch Impressionen von echten Gipfeln. Vor dieser Kulisse stehen und strahlen Merkel und Obama, auch wenn gleich 24 Stunden informelle Weltpolitik über die Krisen auf dieser Erde vor ihnen liegen.

Merkel sagt, sie hätten gleich noch ein Stück Arbeit vor sich. Sie verschweigt nicht, dass es aktuell "manche Meinungsverschiedenheit" gebe, aber die USA "unser Freund, unser Partner und ein so wesentlicher Partner" seien. Im gegenseitigen Interesse. Obama listet dann auf, worum es bei den G7 gehen wird: um eine starke Weltwirtschaft, eine prosperierende Europäische Union, eine neue Handelspartnerschaft über den Atlantik, um offenes Auftreten gegen die russische Aggression in der Ukraine und um Kampf gegen Terror bis hin zu Klimawandel.

Aber vorher seien sie hier nach Krün gekommen, in diese wunderschöne Landschaft, wie Obama lobt. Merkel und Obama schreiten die Bankreihen ab, schütteln Hände, während Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), in dessen Wahlkreis die G7 gipfeln, mit dem Weizenbierglas in der Hand die Szenerie beobachtet. Auch Joachim Sauer, Merkels Ehemann, gemeinhin öffentlichkeitsscheu, ist zwangsverpflichtet worden. Er sitzt schon an einem Trachtlertisch, an den gleich seine Frau und der US-Präsident nach diversen Fotos mit Alphorn-Bläsern dazu kommen werden. Obama wird sich in der Kunst des Weißwurstzuzelns versuchen und wie Merkel mit alkoholfreiem Weißbier in die Menge prosten.

Rechts neben den Präsidenten hat das Protokoll den größten Bauern des Dorfes, Alois Kramer, genannt Luis, platziert. Kramer hat an einer Landwirtschaftsschule im US-Bundesstaat Vermont studiert und ist sicher in englischer Konversation. Kramer spricht pausenlos auf Obama ein, während von Bürgermeister Thomas Schwarzenberger, der links neben dem Präsidenten sitzt, erkennbar die Anspannung der vergangenen Tage und Wochen abfällt. Kramer sagt später, er habe mit Obama über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP und die Entwicklung im ländlichen Raum gesprochen. Kurze Wege, regionale Handelsketten. Solche Sachen.

Nach einer knappen halben Stunde stehen Merkel und Obama zu einem letzten Rundgang über den Rathausplatz auf. Sie steuern auf eine Holzbude zu, in der Weißbier und Weißwürste ausgegeben werden. Was dann passiert, ist für Thomas Andre überwältigend. Der Mann in Trachtengewand mit mächtigem Gamsbart am Hut beschreibt es so: "Er kommt raus, er schaut mich an, sieht mein Gewand..." Andre muss tief durchatmen. "Und gibt mir die Hand." Er meint den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Einmal im Leben. Großes Kino. Für Andre und für den Rest von Krün.