Kommentar zu Donald Trump Ein unberechenbarer Schaumschläger

Meinung | Cleveland · Donald Trump führt die Republikaner als Präsidentschaftskandidat in die anstehende Wahl. Zum Ende des Konvents der Republikaner folgte in der Nacht zu Freitag seine Antrittsrede. Eine Analyse.

 Donald Trump führt die Republikaner in die Präsidentenwahl.

Donald Trump führt die Republikaner in die Präsidentenwahl.

Foto: dpa

Mit einem großen Wurf hätte er den Polit-Zirkus von Cleveland vielleicht noch irgendwie retten können. Mit einem ernsthaften Versuch, das Wortgeklingel und Gebalze des Marathon-Wahlkampfes durch Substanz zu ersetzen, hätte man ihm die Serie peinlicher Auftritte, von der abgekupferten Rede seiner Gattin bis hin zur Mini-Revolte seines Erz-Rivalen Ted Cruz auf offener Bühne, vielleicht verzeihen können.

Aber Donald Trump kann nur Donald Trump.

Seine (mit Applaus) ermüdende 80 Minuten lange Antrittsrede als Präsidentschaftskandidat der Republikaner in der Nacht zu Freitag geht als die schlechteste, feindseligste, intellektuell dürftigste und verlogenste Ansprache in die Geschichte der „Grand Old Party“ ein.

Republikaner-Konvent in Ohio
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Es gibt keinen Zweifel mehr: Die Konservativen in Amerika gehen am 8. November mit einem unberechenbaren Schaumschläger in das Rennen um die Nachfolge von Barack Obama, der Worthülsen an die Stelle von politischen Konzepten setzt und Beleidigungen und Lügen an den Platz von Tatsachenschilderungen. Der blinde Gefolgschaft erwartet und Hybris für eine akzeptierte Verhaltensform hält. „Niemand kennt das System besser als ich“, sagt Trump allen Ernstes, „deswegen bin ich der Einzige, der es reparieren kann.“ So voll hat selbst in Amerika den Mund schon lange niemand mehr genommen.

Nicht an einer einzigen Stelle (!) ließ der Bau-Unternehmer eine Weiterentwicklung seiner sattsam bekannten und intellektuell unterphilosophierten Amerika-ist-völlig-am-Abgrund-Erzählung erkennen. Trump rührte stattdessen zum x-ten Mal den gleichen porösen Beton an. Baut Amerika damit, baut es auf Sand.

An einer Stelle sagte er: „Amerika ist ein Land der Gläubigen, der Träumer und der Strebenden, das von einer Gruppe von Zensoren, Kritikern und Zynikern geführt wird.“ Der mit Abstand größte Zyniker ist Trump.

Phrasen im Wahlkampf

Wer nach 13 Monaten Dauerwahlkampf immer noch glaubt, mit Phrasen („Ich bin der Mann für Recht und Ordnung“), leeren Versprechungen („Ich bin eure Stimme“) und großsprecherischen Ankündigungen ("Ich werde unser Land wieder reich machen") kommen zu können, hält die Wähler für dumm.

Wer glaubt, die auch schon vor 20 Jahren virulenten Dauerbaustellen Armut, Arbeitsmarkt, Handel, innere und äußere Sicherheit, Drogen, Terrorismus und Einwanderung mit platten Losungen ohne jeden konkreten Fingerzeig auf Realisierung in einer komplexen, globalisierten Welt streifen zu können, ist ein Scharlatan.

Wer die Wirklichkeit seines Landes pauschal in düstersten Farben malt und Minderheiten zu Sündenböcken macht, ist ein Brandstifter.

Donald Trump will Amerika wieder groß, sicher, wohhabend und stolz machen. Dafür verlangt er am 8. November einen Blankoscheck. Denn das „Wie“ blieb bis zum letzten Buchstaben offen. Das ist das Gegenteil von Politik. Das ist die Verhöhnung von Demokratie.

Schon die Konturen seines „America First“-Programms, das einem Abgesang auf die vernetzte Welt gleichkommt, geben zu größten Sorgen Anlass. Es fußt auf Realitätsverweigerung.

Mauer als Symbol der Abschottung

Unter Donald Trump würde sich Amerika in sein Schneckenhaus zurückziehen, die Sheriffs-Plakette des unverzichtbaren Weltordnungshüters ablegen, die Nato in einen Security-Dienstleister nach Kosten-Nutzen-Erwägungen umbauen, Handelsabkommen einseitig aufkündigen und an den Grenzen rigoros die Schotten dicht machen.

Der geplante Bau einer Mauer zu Mexiko, um die Armutswanderer aus Amerikas Hinterhof in Schach zu halten, ist und bleibt das Symbol der Abschottung. Sie steht für Kleinmut und Verzagtheit. Unter Donald Trump würde das Misstrauen gegenüber Einwanderern und Muslimen zur Staatsräson. Der künstlich gezüchteten Angst vor terroristischen Schläfern begegnet der Radikalpopulist mit einer Paranoia, die den Geist von Notstandsgesetzen atmet.

Paranoia ist auch der mentale Aggregatzustand, wenn Trump auf seine designierte Mitbewerberin um das höchste Staatsamt zu sprechen kommt: Hillary Clinton. Selten zuvor ist in der ältesten Demokratie der Welt so schamlos zur Hexenjagd geblasen worden.

Als die Menge in Cleveland wieder aus vollen Kehlen grölte: „Sperrt sie ein! Sperrt sie ein!“, schüttelte Trump, der die Militanz im Ton gegen seine Rivalin über Monate persönlich erzeugt hat, gönnerhaft den Kopf: „Nein, lasst sie uns im November besiegen.“ Trump ist ein Brunnenvergifter, wie es ihn seit Barry Goldwater in den 60er Jahren nicht gegeben hat. Aus ihm spricht maliziös kalkulierte Verachtung, keine Empathie.

Amerika hat nun vier Monate Zeit, das Fiasko von Cleveland auf sich wirken zu lassen und es mit dem Politikangebot der Demokraten zu vergleichen, die nächste Woche in Philadelphia zusammenkommen.

Setzen sich Vernunft, Augenmaß, Fortschrittsgeist und Wissen um die Welt durch, kann das Ergebnis nur dies sein: Donald Trump darf nicht der 45. Präsident der Vereinigten Staaten werden. Amerika würde sein Gesicht verlieren. Und die Welt käme ins Wanken.

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