Kommentar zu den Entwicklungen im Fall Yücel Eindeutiges Signal

Meinung | Istanbul · Berichterstattern aus der Türkei selbst und aus dem Ausland werden die Grenzen aufgezeigt. Die angeblich ihnen ausgehende Gefahr scheint für den Staat genauso groß wie die Bedrohung durch politisch motivierte Gewalttäter. Ein Kommentar von GA-Korrespondentin Susanne Güsten.

Es hätte viele Wege für die Türkei gegeben, den Fall Deniz Yücel geräuschlos beizulegen. Abgesehen davon, dass die bisher bekannten Vorwürfe gegen den Journalisten lächerlich sind, gibt es keinen nachvollziehbaren Haftgrund. Aber statt dessen wird die Entscheidung über Yücel zum Signal – und dieses Signal ist eindeutig, ganz gleich, ob der deutsch-türkische Journalist doch noch freikommt oder nicht.

Berichterstattern aus der Türkei selbst und aus dem Ausland werden hier die Grenzen aufgezeigt. Drei türkische Journalisten sitzen wegen ähnlicher Vorwürfe, wie sie jetzt auch gegen Yücel erhoben werden, bereits in Untersuchungshaft; insgesamt hat die Türkei mehr Reporter eingesperrt als jedes andere Land. In der Weltsicht vieler Regierungspolitiker und Behördenvertreter in der Türkei ist die angeblich von Journalisten ausgehende Gefahr für den Staat genauso groß wie die Bedrohung durch politisch motivierte Gewalttäter.

In dieser fatalen Vorstellung von der Rolle der Presse bei gleichzeitiger Rücknahme rechtsstaatlicher Errungenschaften des vergangenen Jahrzehnts liegt das Problem – und an dieser Stelle sollten auch die Versuche der deutschen und europäischen Politik ansetzen, auf Ankara einzuwirken. Das wird nicht leicht sein, weil die türkische Regierung mitten im Wahlkampf vor dem Verfassungsreferendum steht und sich noch weniger als sonst um Einsprüche von außen kümmert. Aber Berlin und Brüssel sollten es dennoch versuchen, um türkischen Politikern und Juristen deutlich zu machen, dass es Europa nicht egal ist, was sie tun.

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