Zu Gast auf dem Sofa Eine explosive Mischung

SANKT AUGUSTIN · Der Erste Weltkrieg gilt als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, hat etwa 17 Millionen Menschen das Leben gekostet und die alten Ordnungen und Machtstrukturen Europas hinweggefegt. Sein Beginn jährt sich dieses Jahr zum hundertsten Mal. "Der Große Krieg", wie sie ihn in Großbritannien nennen, heißt das Buch des renommierten Politikwissenschaftlers Herfried Münkler.

Herfried Münkler zu Gast auf dem Sofa, links die stellvertretende Bibliotheksleiterin Susanne Kundmüller-Bianchini.

Herfried Münkler zu Gast auf dem Sofa, links die stellvertretende Bibliotheksleiterin Susanne Kundmüller-Bianchini.

Foto: Holger Arndt

Der war nun zu Gast auf dem Sofa - eine Veranstaltung der Hochschulbibliothek mit der Bücherstube Sankt Augustin und dem General-Anzeiger. Mit seinen scharfsinnigen Analysen zog er das Publikum in den Bann.

Das 2013 erschienene Buch Münklers gilt bereits als deutsches Standardwerk und hat sowohl die Frage nach der deutschen Verantwortung für den Großen Krieg als auch die nach der Alternativlosigkeit der Kriegshandlungen neu bewertet. Damit hat sich Münkler, der an der Humboldt-Universität zu Berlin unterrichtet, über akademische Fachkreise hinaus einen Namen gemacht.

Auf der Veranstaltung in Sankt Augustin legte der Politologe das Buch jedoch beiseite, die gut besuchte Lesung geriet zur Vorlesung, deren Thesen Münkler durch einen rasanten und spannenden Vortrag an sein Publikum herantrug. Leichtsinn, Zufall und strukturelle Gründe macht Münkler als Komponenten aus, die eine explosive Mischung für den Ausbruch des Weltkriegs im August 1914 bildeten. Sein Blick auf die Ereignisse am Anfang des 20. Jahrhunderts weicht ab von der Sichtweise eines Historikers.

Dementsprechend richtet Münkler seinen Fokus auf die politischen Vorgänge, die sich innerhalb der europäischen Machtzentren abspielten. Es sind daher auch politische Fragen, die der Politologe in seiner Retrospektive an die Geschichtsdeutung richtet. So etwa die, warum es nicht gelang, den Krieg 1914 auf den Balkan zu begrenzen. Neben unglücklichen Zufällen wie dem tödlichen Attentat von Sarajevo auf den österreichischen Thronfolger macht Münkler unter anderem strategisches Wettrüsten der Konfliktparteien und ihrer Bündnispartner aus.

Auf die Frage, warum der Krieg im Spätherbst 1914 nicht beendet wurde und sich zu einem irrationalen Schlachtfeld verwandelte, zeigt Münkler im Detail das Versagen der Kriegsteilnehmer. So etwa Englands Interesse an einem Zermürbungskrieg, an dem sich die Mächte des Kontinents aneinander zerreiben würden. Aber auch Misstrauen innerhalb der Bündnisse und Kriegsanleihen, die alternativlos auf Sieg gesetzt hatten, macht Münkler aus.

Münkler trifft mit seiner Analyse den Nerv einer Zeit, in der in Europa und Nahost erneut Großmachtdenken, Aufrüstung und verbale Kriegstreiberei zur unheilvollen Mischung für den Weltfrieden werden könnten.

Das Buch "Der Große Krieg - Die Welt 1914 bis 1918" von Herfried Münkler ist im Rowohlt Verlag erschienen und kostet 29,95 Euro.

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