Zwei Jahre Papst Franziskus Eine Frage des Prinzips

Zwei Jahre nach der Wahl von Papst Franziskus wird die Kritik an dem Argentinier immer lauter. Die katholische Kirche steht an einem Scheideweg.

 Im Regencape: Der Papst bei einem Gottesdienst während seiner Philippinen-Reise im Januar. Rund sechs Millionen Menschen waren dabei.

Im Regencape: Der Papst bei einem Gottesdienst während seiner Philippinen-Reise im Januar. Rund sechs Millionen Menschen waren dabei.

Foto: AP

Lassen ihn jetzt sogar die Gläubigen im Stich? Es wird Frühling in Rom, der Petersplatz liegt noch etwas kühl da, die Sonne kann sich nicht recht entscheiden, in welches Licht sie den Vatikan an diesem Mittwochmorgen rücken will. Glanz oder doch gräuliche Töne? Wilhelm und Marion Fertig aus Hünfeld bei Fulda lehnen am Barockbrunnen von Carlo Fontana und blicken auf den weißen Punkt namens Papst Franziskus unter der Fassade des Petersdoms. Von dort muss die Sicht zwar insgesamt besser, aber auch nicht gerade erbaulich sein.

Der Platz ist bei dieser Generalaudienz nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Gejubelt wird auch nicht mehr so laut wie noch vor Monaten. Heute vor zwei Jahren wählten die Kardinäle den Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum 266. Nachfolger Petri, der die Welt sogleich mit seinen Gesten beeindruckte. Aber jetzt wirkt es schon manchmal so, als habe der Herbst seines Pontifikats begonnen. "Die Euphorie hat sich gelegt", sagt Wilhelm Fertig und bekreuzigt sich, als der Papst den Segen spendet. "Man dachte, er räumt die Kurie auf", sagt der Tourist aus Deutschland. "Aber nix, man hört gar nichts." Aus seiner Sicht ist es etwas zu ruhig geworden um diesen Papst, auf dem so viele Hoffnungen lagen.

Dass es wirklich ruhig geworden ist um Franziskus, kann man nicht unbedingt behaupten. Vielmehr rumpelt es in der katholischen Kirche deutlich vernehmbar. Denn einige Parameter, die früher zwar für viel Kritik, aber doch auch für Verlässlichkeit sorgten, sind ins Wanken gekommen. Franziskus spricht anders als seine Vorgänger, er wählt einfache, manchmal missverständliche Bilder. Seine Botschaft ist die, dass gerade Sünder, Ausgeschlossene und Benachteiligte die Gnade Gottes erlangten. Und er lässt keine Gelegenheit aus, seine eigenen Leute aus der Kurie zu kritisieren.

"Papa piacione", nennen sie ihn im Vatikan. Das bedeutet so viel wie gefallsüchtiger Papst. Denn der Applaus von Atheisten, Kirchenkritikern und vom angeblich rechten Weg abgekommenen Schäflein ist ihm sicher. Der katholischen Welt, oder zumindest wesentlichen Teilen von ihr, muss das verdächtig sein.

Franziskus hat die Kirche zwei Jahre nach Amtsantritt innerlich gespalten. Schon immer gab es unterschiedliche Lager und Meinungen, auch heftig ausgetragene Grabenkämpfe. Aber: "So schlimm war es noch nie", sagt ein Prälat, der den Vatikan seit Jahren aus seinem Inneren verfolgt. Während bei den Freunden des Papstes die Hoffnung anhält, dass 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit Franziskus endlich eine den Menschen zugewandte Kirche Einzug halten kann, fürchten seine Gegner um die Grundfesten des Glaubens. Die Kirche, so sagen sie, dürfe ihre Prinzipien nicht verraten, wenn sie Bestand haben wolle. Es ist eine Frage des Prinzips, die derzeit in Rom ausgefochten wird.

"Er hat einen Plan, aber keine Systematik", sagt ein hochrangiger Kurienvertreter über Franziskus. Die Agenda des Papstes richte sich nach dem Prinzip: "Wer am Lautesten brüllt, der setzt sich durch." Die Kurienreform, die die Kardinäle vor dem Konklave 2013 vehement gefordert hatten, ist zwei Jahre später immer noch Stückwerk.

Der Papst hat sein Amt verändert. Er ist für die Katholiken nicht mehr ein, wenn auch umstrittener, Leuchtturm im Sturm der Säkularisierung, sondern gibt den redseligen, menschennahen Gemeindepfarrer. Dass seine Worte von den Katholiken, die sich nicht wie "Karnickel" fortpflanzen sollten, der Ausdruck vom Faustschlag gegen den, der seine Mutter beleidige oder von der Kinderzüchtigung "mit Würde" für Irritationen sorgen, weiß Franziskus möglicherweise gar nicht. Er wies die Kurie an, ihn nicht mit Kleinigkeiten zu behelligen. "Die einfachen Leute verstehen ihn", meint sein Freund, der Jesuitenpater Diego Fares.

Die Kurie, der päpstliche Verwaltungsapparat, versteht ihn nicht. Das heißt, sie versteht seine Worte, teilt sie aber nicht. Wie auch, wenn der Chef den Mitarbeitern ständig in aller Öffentlichkeit eine Fratze vorhält. "Spirituelles Alzheimer", "existenzielle Schizophrenie" warf er ihnen in seiner Weihnachtsansprache vor. Der Riss zwischen dem Papst und seinen Truppen wurde größer. Dabei will der Jesuit Franziskus nach dem Prinzip des Heiligen Ignatius von Loyola eigentlich das Gegenteil erreichen: Läuterung durch Selbsterkenntnis. "Franziskus wählt harte Worte, er sagt die Dinge wie sie sind, ohne Anästhesie", sagt Pater Fares.

Wohin will der Papst die Kirche führen? Wofür steht er genau? Das ist die Quizfrage in Rom, auf die viele keine Antwort finden. Vielleicht hat Franziskus sein Ziel aber schon längst erreicht. Und zwar mit wesentlichem Zutun des Münchner Kardinals Reinhard Marx. Der, ein kritischer Verbündeter des Papstes, sagte jüngst: "Wir sind keine Filiale von Rom." Die ordentliche Bischofssynode im Oktober, in der viele die entscheidende Weichenstellung des Pontifikats erkennen, könne den deutschen Bischöfen nicht vorschreiben, wie sie ihre Seelsorge zu gestalten hätten. Noch vor Kurzem wäre er deshalb zurückgepfiffen worden. Franziskus schwieg beredt. Die Abnabelung von der römischen Übermutter scheint bereits in vollem Gange. Mit offenem Ausgang für den Papst und die katholische Kirche.

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