Verhaftungswelle in Spanien nach Korruptionsermittlungen Elite im Knast

MADRID · Nachdem die Liste von korrupten Politikern und Beamten in Spanien immer länger wird, geht ein Aufschrei durch das südeuropäische Land: Die stetig neuen Bestechungsskandale im Königreich verursachen "Schwindel und Brechreiz" bei den Bürgern, fasst die nationale Tageszeitung "La Vanguardia" die öffentliche Entrüstung zusammen.

Sogar das regierungsnahe konservative Blatt "ABC" klagt in einem Leitartikel, Spanien sei "auf einer kritischen Stufe der Korruption" angelangt, die das Land "wie eine Seuche" befallen habe.

Die jüngste Welle der Empörung wurde durch die spektakuläre Nachricht provoziert, dass auf einen Schlag gleich 51 Politiker, Staatsbeamte und Unternehmer der Korruption beschuldigt und festgenommen wurden. Einer der massivsten Schläge der Ermittler in letzter Zeit. Unter den Abgeführten befinden sich allein mehr als ein Dutzend Volksvertreter, die als Bürgermeister, Stadträte, Abgeordnete oder Senatoren hohe Ämter bekleideten. Die meisten Verdächtigen stammen aus dem Umfeld der in Spanien regierenden konservativen Partei, aber auch einige Sozialisten sitzen in Untersuchungshaft.

Korruptionsermittler Eloy Velasco, Untersuchungsrichter am Nationalen Gerichtshof in Madrid, hat reichlich Hinweise, dass die Festgenommenen ein mafiaähnliches Netz der Vetternwirtschaft gestrickt hatten. Millionenschwere öffentliche Aufträge wurden offenbar ohne Ausschreibung und gegen eine Kommission von drei Prozent des Geschäftswertes vergeben.

Vermutlich nur die Spitze des Eisberges. Die Korruption ist "Teil des Systems" in Spanien, glaubt "El Pais", größte Zeitung des Landes, und verdammt die Korrupten "als Feinde der Demokratie". Vor dem Rathaus des Madrider Vorortes Valdemoro, dessen konservativer Bürgermeister festgenommen worden war, demonstrierten spontan zornige Bürger gegen die "politische Mafia" und riefen "Korrupte, raus!".

Der jüngste Stein des Skandals war ins Rollen gekommen, nachdem die Schweizer Staatsanwaltschaft in Lausanne im Zuge von Geldwäscheermittlungen auf ein verdächtiges Konto stieß, das dem spanischen Konservativen Francisco Granados gehörte. Die Schweizer informierten die spanischen Kollegen. Granados, lange Zeit Generalsekretär der konservativen Volkspartei in der Region Madrid, wird nun als einer der Strippenzieher des Amigo-Netzes verdächtigt.

Der Fall fliegt in einer Zeit auf, in welcher die Bürger ohnehin das Vertrauen in Parteien und Institutionen verloren haben. In Umfragen werden Korruption und etablierte Parteien gleich nach der nationalen Wirtschaftskrise als größtes Problem genannt. Da wundert es wenig, dass Spaniens Protestpartei "Podemos" (Wir schaffen es), die erst Anfang 2014 gegründet wurde, inzwischen mehr als 20 Prozent der Stimmen zugetraut werden. Jede neue Affäre treibt Podemos, die aus der Bürgerbewegung der "Empörten" entstand, Wähler zu. Bei der Parlamentswahl im kommenden Jahr könnte Podemos Triumphe feiern.

Das Land der "täglichen Korruption" sei "verfault", urteilt "El Mundo", Spaniens zweitgrößte Zeitung. "Hoffentlich kommt irgendwann einmal ein Tag", schreibt "Vanguardia"-Chefredakteur Màrius Carol, "an dem man den politischen Teil der Tageszeitung nicht mit der Seite der Verbrechensmeldungen verwechselt."

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