Streit zwischen Türkei und Niederlande Eskalation im Zeitraffer

Der Streit zwischen der Türkei und den Niederlanden um Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker droht zu eskalieren. Europäische Politiker sollten der Provokation aus Ankara mit kühler Vernunft begegnen, meint GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

 Türken demonstrieren mit türkischen Fahnen vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul.

Türken demonstrieren mit türkischen Fahnen vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul.

Foto: ap

So schnell geht Eskalation unter Bündnispartnern. So rasant entwickeln sich Konflikte in Europa, wenn nationalistische Positionen die Politik der Staaten bestimmen und nicht das Streben nach Ausgleich und die Suche nach gemeinsamen Zielen. Dass aus Nichtigkeiten Kriege entstehen können, ist keine neue Erkenntnis. Wir hatten das nur vergessen dürfen.

Die türkische Regierung hat entdeckt, dass man Schwäche und Unsicherheit im Inneren mit Aggressivität nach außen überspielen kann. Dafür muss sie die Konfrontation suchen. Erdogan trägt seinen Wahlkampf für die Verfassungsreform daher konsequent in die Länder der europäischen Bündnispartner. Die können sich nur schwer wehren, weil sie durch militärische Abhängigkeiten und die Position der Türkei in der Flüchtlingspolitik an einem konstruktiven Miteinander Interesse haben müssen.

Deutschland war der erste Gegner. Die Regierung in Berlin ist ausgewichen, hat ihr Missfallen deutlich gemacht und gedroht, letztlich aber die türkische Regierung gewähren lassen. Das ist nicht im Sinne Erdogans, für den Deutschland sicher ein sehr nützlicher Gegner gewesen wäre. Daher dann der Wechsel in Richtung Frankreich und vor allem in die Niederlande, wo es eine im Vergleich zu Deutschland eher kleine türkische Minderheit gibt. Hier hat er mehr Erfolg, denn in den Niederlanden ist Wahlkampf und das zentrale Thema ist das Verhältnis zu Muslimen und zur Zuwanderung. Regierungschef Rutte muss gegen Geert Wilders Punkte machen und nutzt die Vorlage aus Ankara, sich als unbeugsamer Gegner der Islamisten aus der Türkei zu präsentieren. Erdogan bleibt seiner Strategie treu und lässt die Sache so weit eskalieren, wie es gerade noch vertretbar scheint.

Wie muss es jetzt weitergehen? Erdogan ist eigentlich ein schwacher Politiker, und er bemüht sich mit Gewalt, ein anderes Bild zu zeichnen. Er tut alles, um sich und sein Volk als Opfer darzustellen, das nur er retten kann. Am besten lässt er sich vermutlich stoppen, wenn die Regierungen in Mitteleuropa seine Eskalationsstrategie konsequent unterlaufen. Die Anhänger seiner Partei sind laut und aggressiv, sie inszenieren sich stark über die Medien. Gemessen an den möglichen Zahlen kommen jedoch nur erstaunlich wenige Menschen zu den plakativ choreographierten Kundgebungen. Der ganz überwiegende Teil der Menschen mit türkischen Wurzeln in Mitteleuropa scheint sich vor allem für ein friedliches Miteinander zu interessieren. Sie halten sich lieber aus dem innertürkischen Streit heraus. Und diese Kräfte gilt es zu stärken.

Stärke zeigen heißt für die betroffenen europäischen Länder, der Vernunft zu folgen und nicht in die aufgenötigte Eskalation einzusteigen. Das Beispiel Niederlande zeigt, wie gefährlich es werden kann, wenn auf beiden Seiten die Sicherungen durchbrennen.

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