Tabubruch geplant EU-Kommission will Regeln des Stabilitätspaktes lockern

Brüssel · Die Regeln des Stabilitätspakts sollen gelockert werden. Die EU-Kommission plant damit nicht weniger als einen Tabubruch.

 Europaflaggen wehen vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel.

Europaflaggen wehen vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es ist eine selten positive Bilanz: Die europäische Wirtschaft wächst seit sieben Jahren. Noch 2011 saßen 24 Mitgliedstaaten auf der Sünderbank, weil sie jährlich mehr als drei Prozent neue Schulden anhäuften. Heute liegen selbst die Sorgenkinder Griechenland, Italien und Frankreich im Rahmen. Die Büßerbank ist leer.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist damit der Zeitpunkt gekommen, um über eben jenes Instrument zu reden, das sich die Mitgliedstaaten 1997 gegeben und auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2011 und 2013 verschärft hatten: den Stabilitäts- und Wachstumspakt. „Stabilität bleibt ein zentrales Ziel, aber es ist genauso wichtig, das Wachstum zu stützen und insbesondere die massiven Investitionen zu mobilisieren, die wir für den Klimaschutz brauchen“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Er eröffnete zunächst eine Konsultation, die bis Ende des Jahres in eine Reform münden soll. Das klingt eher finanztechnisch und vor allem harmlos.

Tatsächlich aber plant die Brüsseler Behörde nicht weniger als einen Tabubruch: Die strengen Regeln des Paktes sollen gelockert werden, damit die Regierungen sich wieder stärker verschulden können. Denn, so geht aus der gestern präsentierten Vorlage hervor, ohne zusätzliche Finanzmittel seien grüne Investitionen nicht möglich. Die aber werden gebraucht, weil zwar die Neuverschuldung gesunken ist, die Anteile der Schulden an der Jahreswirtschaftsleistung aber nach wie vor deutlich über den vorgeschriebenen 60 Prozent liegt. „Der derzeit festgeschriebene Kürzungsfetisch im Stabilitäts- und Wachstumspakt steht dem Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 entgegen“, signalisierte der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Joachim Schuster Verständnis.

Deutschland kündigt Widerstand an

Zumindest in einem Punkt sind sich EU-Kommission, die Finanzexperten der Gemeinschaft und die zuständigen Abgeordneten des Europäische Parlamentes einig. „Besonders problematisch ist, dass die heutigen Fiskalregeln pro-zyklisch wirken und Konjunkturzyklen verstärken statt sie abzumildern“, sagt Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold.

Schuldenbremse und Ausgabenstopp wirken nämlich ganz anders als erhofft. Denn eigentlich hatte die EU-Zentrale erwartet, dass mit diesen Instrumenten gute konjunkturelle Zeiten abgeschwächt würden, damit schlechte Zeiten weniger hart werden. Das trat nicht ein. Doch die Befürchtung ist groß, dass „wir damit die Büchse der Pandora“ öffnen, sagte CSU-Politiker Markus Ferber: „Nur weil die Kommission nun den Green Deal ausgerufen hat, hat sich die Schuldentragfähigkeit in Ländern wie Italien und Frankreich keinen Deut verbessert.“

Unter den EU-Regierungen ist der Vorstoß aus Brüssel umstritten. Deutschland hat bereits Widerstand angekündigt.

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