Wie wird Washington reagieren? EU-Staaten schaffen System zur Umgehung von Iran-Sanktionen

Brüssel · Kann das Iran-Geschäft europäischer Unternehmen den massiven US-Sanktionen standhalten? Deutschland, Frankreich und Großbritannien schaffen ein Schutzsystem gegen die Strafmaßnahmen und stellen die transatlantischen Beziehungen damit vor eine neue Belastungsprobe.

 Petrochemischer Komplex Mahshahr in der Provinz Khuzestan. Deutschland, Frankreich und Großbritannien starten ein System zur Umgehung der US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran.

Petrochemischer Komplex Mahshahr in der Provinz Khuzestan. Deutschland, Frankreich und Großbritannien starten ein System zur Umgehung der US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran.

Foto: Abedin Taherkenareh/EPA

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben ein System zur Umgehung der amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran gestartet. Sie gehen damit auf Konfrontationskurs zu US-Präsident Donald Trump, der scharfe Sanktionen gegen den Iran durchsetzen will.

Konkret wurde eine Gesellschaft gegründet, über die der Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abgewickelt werden kann, wenn sich private Banken wegen drohender US-Strafen dazu nicht mehr bereiterklären.

Die Zweckgesellschaft mit dem Namen Instex fungiert dabei als eine Art Vermittlungsstelle, in der Forderungen von europäischen und iranischen Unternehmen miteinander verrechnet werden können. So könnte der Iran zum Beispiel weiter Erdöl oder andere Produkte nach Europa liefern. Das Geld dafür würde dann aber nicht über Banken in den Iran fließen, sondern an europäische Unternehmen, die zum Beispiel Medikamente, Nahrungsmittel oder Industriegüter in den Iran verkaufen. Die US-Sanktionen gegen den Zahlungsverkehr mit dem Iran, also die Abwicklung und Verrechnung von Zahlungen, wären damit ausgehebelt.

Bundesaußenminister Heiko Maas zeigte sich am Donnerstag bei einem EU-Außenministertreffen in Bukarest erleichtert, dass die Gründung der Gesellschaft nach monatelanger Vorbereitung gelungen ist. "Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben mit der Registrierung von Instex jetzt einen wesentlichen Schritt dazu beigetragen, das Nuklearabkommen mit dem Iran zu erhalten", sagte er.

An die Adresse der USA sagte Maas: "Das ist ein Schritt, der deutlich macht, dass wir auch innerhalb der Europäischen Union - auch wenn andere anderer Auffassung sind - geschlossen und entschlossen unseren Weg gehen."

Hintergrund der Initiative ist die Sorge, dass das internationale Atomabkommen mit Iran im Zuge der Wiedereinführung von US-Sanktionen scheitern könnte, weil dem Iran für den Verzicht auf sein Atomprogramm die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen versprochen worden war.

Die USA waren im Mai 2018 trotz großer Bedenken der Europäer einseitig aus dem Atomabkommen ausgestiegen. Trump begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass der Iran weiter an der Entwicklung von Atomwaffen arbeite, ohne dafür Beweise vorzulegen. Außerdem hat das Abkommen aus Sicht von Trump weder Ruhe noch Frieden im Nahen Osten gebracht.

Die Europäer sehen die Rolle des Irans in der Region wie die USA sehr kritisch. Sie verweisen aber darauf, dass es darum in dem Abkommen nur indirekt gehe und der Iran bislang alle schriftlich eingegangenen Verpflichtungen einhalte. Letzteres hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bereits 13 Mal nach unabhängigen Untersuchungen bestätigt.

Maas betonte am Donnerstag in Bukarest, dass ein Festhalten am Atomabkommen aus europäischer Sicht nicht gleichbedeutend mit einem unkritischen Umgang mit dem Iran ist. "Wir glauben, dass uns das ermöglicht, über die schwierigen Themen mit dem Iran zu reden", sagte er. So werde man mit dem Iran zum Beispiel über seine schwierige Rolle im Syrien-Konflikt oder über das ballistische Raketensystem sprechen.

Die US-Regierung zeigte sich in einer ersten Reaktion gelassen. Man erwarte nicht, dass die Zweckgesellschaft in irgendeiner Art und Weise den maximalen wirtschaftlichen Druck auf den Iran mindern werde, sagte ein Sprecher der US-Botschaft der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich wiederholte er allerdings Drohungen, nach denen alle EU-Unternehmen den Marktzugang in den USA verlieren könnten, sollten sie sich an sanktionierten Geschäften im Iran beteiligen.

Der Sitz von Instex wird im französischen Finanzministerium in Paris sein. Deutschland stellt mit dem früheren Bank-Manager Per Fischer den Geschäftsführer der Gesellschaft und wird eine Nebenstelle als Anlaufpunkt für deutsche Unternehmen einrichten. Die Abkürzung Instex steht für "Instrument in Support of Trade Exchanges" - auf Deutsch: "Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten".

Grundlegendes Ziel der Europäer ist es, das Handelsvolumen zumindest auf dem Niveau halten, das es vor dem Atomabkommen mit dem Iran unter dem damaligen Sanktionsregime gegeben hat. Zwischen dem Iran und Deutschland waren das zwei Milliarden Euro. Das Problem: Die USA setzen die im Iran tätigen Unternehmen heute viel aggressiver als damals unter Druck.

Deswegen gilt es auch als unsicher, ob die Zweckgesellschaft wirklich eine Wirkung entfalten kann. Der Iran reagierte dementsprechend verhalten. "In der Regel ist es natürlich lobenswert, dass die EU sich gegen die US-Sanktionen eingesetzt hat", sagte Vizeaußenminister Abbas Araghci im Staatssender IRIB. Teheran werde aber abwarten, wie das Instex-System in der Praxis funktionieren werde.

So sind die deutschen Exporte in den Iran seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen massiv eingebrochen. "Die Uhr zur Rettung der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen ist fast abgelaufen", kommentierte der Außenwirtschaftschef des deutschen Industrie- und Handelskammertags, Volker Treier. Das deutsche und europäische Iran-Geschäft laufe Gefahr, gänzlich zum Erliegen zu kommen.

Treier verwies darauf, dass viele Unternehmen die Sorge umtreibe, ihr US-Geschäft zu verlieren, wenn sie weiterhin im Iran aktiv seien. Die neue Regelung gebe zwar Anlass für leichte Hoffnung. "Allerdings muss die Zweckgesellschaft jetzt zügig ihre Arbeit aufnehmen und dabei unbürokratisch handhabbar sein."

Die Spaltung zwischen den USA und den Westeuropäern in der Iran-Politik wird auch bei einer Konferenz deutlich werden, die am 13. und 14. Februar unmittelbar vor der Münchner Sicherheitskonferenz in Warschau stattfindet. Die USA und Polen haben dorthin Außenminister aus aller Welt eingeladen, um über Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten zu reden. Kritiker sehen die Veranstaltung als Anti-Iran-Konferenz.

Es wird erwartet, dass mehrere westeuropäische Staaten deswegen nicht auf Ministerebene teilnehmen werden. Die USA schicken dagegen neben Außenminister Pompeo sogar US-Vizepräsident Mike Pence nach Warschau.

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