Wahl in Belarus EU stellt sich hinter die Demonstranten

Brüssel · Die Europäische Union will die Wahl von Alexander Lukaschenko in Belarus nicht anerkennen. Oppositionskandidatin Tichanowskaja appelliert nun an Brüssel.

 Virtueller Krisengipfel: Die EU-Staats- und Regierungschefs schalteten sich per Video zusammen.

Virtueller Krisengipfel: Die EU-Staats- und Regierungschefs schalteten sich per Video zusammen.

Foto: AP/Olivier Hoslet

Die inständige Bitte wurde den 27 EU-Staats- und Regierungschefs gleich zu Anfang ihres virtuellen Krisengipfels am gestrigen Mittwoch übermittelt. „Verehrte Anführer Europas, ich rufe Sie dazu auf, das Aufwachen von Belarus zu unterstützen“, appellierte Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja an Brüssel. Nur wenige Stunden später hatte die 27er Gemeinschaft die Sätze fertig, auf die die Menschen in Belarus an diesem Mittwoch gehofft hatten: „Wir stehen an der Seite der friedliebenden Demonstranten“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel und ließ keine Zweifel an der Position der Gemeinschaft aufkommen: „Wir verurteilen die brutale Gewalt gegen Menschen.“ In Brüssel ergänzte EU-Ratspräsident Charles Michel: „Die Wahlen vom 9. August waren weder frei noch fair. Die EU wird das Ergebnis nicht anerkennen.“ Und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ergänzte noch: „Wir sind beeindruckt ob des Mutes der Menschen in Belarus.“

Tanz auf der Rasierklinge

Während in Minsk der umstrittene Präsident Alexander Lukaschenko seine Sicherheitskräfte anwies, erneut gegen Demonstranten mit aller Schärfe vorzugehen, fand die Europäische Union bei ihrem virtuellen Krisentreffen die Balance zwischen klarer Verurteilung der Gewalt und behutsamem Umgang mit einer Krise, die Michel zuvor als „komplizierte Situation“ beschrieb. Denn die moralische Rückendeckung für die Opfer von Minsk war ebenso wichtig wie die feinfühlige politische Zurückhaltung der EU. Es gehe schließlich um eine „nationale Krise“ in Belarus, betonte Michel. Die Menschen hätten das „Recht, die Zukunft ihres Landes selbst zu bestimmen.“ Der Umbau müsse von „innen ausgehen“, sagte von der Leyen. In den vorangegangenen Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe man klargemacht, dass „die Zukunft von Belarus in Belarus entschieden werden muss – nicht in Moskau und auch nicht in Brüssel.“ Von der Leyen weiter: „Nichts von all dem, was wir beschlossen haben, richtet sich gegen ein Nachbarland.“ Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Kreml.

Die EU-Staats-und Regierungschefs wussten, welchen Tanz auf der Rasierklinge sie ausführen mussten. Auf der einen Seite standen die großen Erwartungen der belarussischen Bevölkerung nach moralischer Unterstützung, auf der anderen Seite wollten die Europäer nicht den Eindruck erwecken, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Denn das hätte in Moskau jene gestärkt, die für eine militärische Intervention eintreten. So nahm sich die EU an diesem Mittwoch erkennbar zurück, brachte sich nicht einmal als Moderator ins Spiel.

Bescheidene Hilfsaktion beschlossen

Dennoch haben die Staats- und Regierungschefs wenigstens eine verhältnismäßig bescheidene Hilfsaktion beschlossen: Mit rund 53 Millionen Euro sollen beispielsweise Kliniken besser ausgestattet werden, um die Opfer von Gewalt betreuen zu können. Rund zwei Millionen Euro sind für die Opfer der brutalen Polizeiaktionen vorgesehen. Außerdem soll in der kommenden Woche die Liste mit Namen der Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen fertiggestellt werden, die die Außenminister beschlossen hatten. Es handelt sich dabei um die Führungsriege im Dunstkreis des Präsidenten. Gegen sie sind Einreiseverbote und weitere Strafen geplant.

Lukaschenko reagierte unmittelbar nach dem EU-Gipfeltreffen abweisend und mit einem seltsam verqueren Hinweis: „Bevor sie (die Staats- und Regierungschefs der EU, d. Red.) mit dem Finger auf andere zeigen, sollten sie Themen wie ‚Gelbwesten’ in Frankreich oder die schrecklichen Unruhen in den USA auf die Tagesordnung ihrer Treffen setzen.“ Bitten um ein persönliches Gespräch – beispielsweise mit Merkel – lehnte der Präsident in Minsk strikt ab. Damit war auch klar, dass es keine Vermittlerrolle der Union oder Merkels, die derzeit die deutsche EU-Ratspräsidentschaft innehat, geben wird. Statt Gesprächsbereitschaft exerzierte der umstrittene Despot weiter seinen harten Kurs.

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