Briten boykottieren System EU verteilt Flüchtlinge neu

BRÜSSEL · Der Appell aus Brüssel ist laut und deutlich: "Wir brauchen mehr Solidarität untereinander", forderte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einer Videobotschaft. Gestern stellte sein Stellvertreter Frans Timmermans die neue Migrationsstrategie vor - und mit ihr die angekündigte Quote, mit der Flüchtlinge künftig gerechter auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden sollen.

Über 100 Flüchtlinge vor Lampedusa werden von einem Schlauchboot gerettet. Tausende andere kommen jährlich im Mittelmeer um. Die Solidarität der EU-Länder bleibt trotz der vielen Toten gering. Gegen alle Widerständen sollen die Flüchtlinge nun fairer verteilt werden.

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Allerdings nur befristet. So hofft die EU-Spitze, auch die Widerstände jener zu brechen, die einen solchen Verteilschlüssel kategorisch ablehnen.

Schon Ende des Monats will die Kommission einen entsprechenden Vorschlag für einen solchen "temporären Umsiedlungsschlüssel" vorlegen. Die Quote soll sich an der Wirtschaftskraft, der Bevölkerungsgröße und der Arbeitslosenquote eines Landes orientieren - aber auch die Zahl der Migranten berücksichtigen, die ein Land bereits freiwillig aufgenommen hat.

Dafür braucht es aber die Zustimmung einer Mehrheit der Mitgliedstaaten. Die könnte jedoch wackeln. Schon jetzt kündigte Großbritannien an, dass man sich an einer solchen Quote nicht beteiligen werde. Dabei gehört das Vereinigte Königreich zu jenen Ländern, die wenig Flüchtlinge aufgenommen haben. Widerstand regt auch in den baltischen Staaten sowie der Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn. Zwar kamen nach Ungarn verhältnismäßig viele Flüchtlinge, allerdings gilt der osteuropäische Staat als Transitland in den Westen.

72 Prozent der Asylanträge konzentrieren sich auf nur fünf der 28 Mitgliedstaaten. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 173 070 Formulare von schutzsuchenden Flüchtlingen eingereicht - so viel wie in keinem anderen EU-Land. Rechnet man die Zahl der aufgenommenen Asylanten auf die Einwohnerzahl um, steht Schweden ganz oben auf der Liste: Dort kommen 8415 Migranten auf eine Million Einwohner. Am anderen Ende der Skala steht Portugal mit 40 Asylbewerbern pro eine Million Einwohner.

Dass gerade bislang weniger belastete Länder nicht einfach ihre Zustimmung zu einem neuen Verteilsystem geben werden, ist Kommissionsvizepräsident Timmermans wohl bewusst. "Ich erwarte Kritik von den Mitgliedstaaten. Aber wir können nicht hinnehmen, dass ganze Familien auf dem Mittelmeer sterben", betonte er. Es reiche nicht aus, mehr Hilfen für die Seenotrettung bereitzustellen, um danach zu sagen, "der Rest ist nicht mehr unser Problem", so Timmermans.

"Wenn die temporäre Quote funktioniert", so die Hoffnung des Vizepräsidenten, "werden die Mitgliedstaaten gelassener damit umgehen." Soll heißen: Die Kommission will langfristig auch das sogenannte Dublin-II-Verfahren ändern. Die EU-Vorschrift sieht bislang vor, dass Flüchtlinge dort aufgenommen werden müssen, wo sie erstmals in die Union eingereist sind. "Dieses System muss überarbeitet werden", betonte Timmermans. Bis zum Jahresende soll ein entsprechender Gesetzesentwurf vorliegen. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini setzt zusätzlich auf langfristige Strategien - wie die Ausweitung von Entwicklungshilfen und der Armutsbekämpfung.