Widerstand aus Deutschland EU will doch kein ehrgeizigeres Klimaziel für 2030

Brüssel · Der globale Klimaschutz steckt in der Krise - da wollte EU-Klimakommissar Cañete ein Signal an die Welt setzen. Doch es kommt anders. Auch weil die Bundesregierung sich sträubt.

 Wasserdampf quillt bei Pulheim aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Niederaußem.

Wasserdampf quillt bei Pulheim aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Niederaußem.

Foto: Federico Gambarini

Nach Widerstand aus Deutschland und anderen Ländern hat EU-Kommissar Miguel Arias Cañete den Plan aufgegeben, das Klimaziel der Europäischen Union für 2030 im Herbst offiziell anzuheben.

Anders als angekündigt hat Cañete den EU-Staaten den Vorschlag nicht zum Beschluss vorgelegt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus EU-Kreisen in Brüssel. Der Rückzieher stieß bei den Grünen auf scharfe Kritik. Union und FDP äußerten sich zufrieden.

Cañete hatte im Sommer dafür plädiert, auf internationaler Ebene bis 2030 eine Senkung der Treibhausgase der EU um 45 Prozent im Vergleich zu 1990 zuzusagen. Bisher ist das Ziel 40 Prozent. Das neue Ziel wolle er den EU-Staaten im Herbst vorschlagen, sagte Cañete damals der dpa. Die Idee war jedoch unter anderem bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und der deutschen Industrie auf Ablehnung gestoßen. Merkel sagte dazu Ende August: "Das permanente Setzen neuer Ziele halte ich nicht für sinnvoll."

Nach Cañetes Berechnungen wären für das höhere Ziel keine zusätzlichen Gesetze nötig. Vielmehr werde die Minderung um 45 Prozent quasi automatisch erreicht, sofern die schon gesetzlich festgeschriebenen Maßnahmen zum Energiesparen und zum Ausbau der erneuerbaren Energien umgesetzt würden. Hier hatten die EU-Staaten und das EU-Parlament im Frühsommer unerwartet ehrgeizige Kompromisse geschmiedet.

Mit der offiziellen Festlegung auf das nachgeschärfte Ziel wollte Cañete ein Signal vor der nächsten Weltklimakonferenz im Dezember in Kattowitz in Polen setzen: Es sollte die UN-Partner ermuntern, ebenfalls mehr gegen die Erderwärmung zu tun. Doch wollten sich einige EU-Staaten nach dpa-Informationen nicht auf einen Beschluss beim Treffen der Umweltminister am 9. Oktober einlassen. Im Entwurf der Beschlussvorlage wird das 45-Prozent-Ziel nicht erwähnt.

Der globale Klimaschutz steckt in der Krise, seit US-Präsident Donald Trump das Pariser Abkommen von 2015 aufgekündigt hat. Darin hat die Weltgemeinschaft vereinbart, die globale Erwärmung bei höchstens 2 Grad - möglichst sogar bei nur 1,5 Grad - zu stoppen. Gemeint ist die mittlere Temperatur im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten. Nötig ist dafür eine Abkehr von Kohle, Öl und Gas. Die Pariser Vertragspartner hatten ihre Klimaziele zu Protokoll gegeben, aber zugesagt, diese bis 2020 möglichst zu erhöhen.

Das Bundesumweltministerium verwies auf diesen internationalen Zeitplan: Erst 2020 stehe die Frage höherer Klimaziele an. "Auch die EU wird bis dann ihr Ziel überprüfen", hieß es aus dem Haus von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). In Kattowitz gehe es um andere Fragen. "Insofern sind wir nicht überrascht, dass ein Erhöhungsvorschlag jetzt noch nicht vorgelegt wird." Mit den Beschlüssen zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien tue die EU aber faktisch schon mehr als sie 2015 in Paris zugesagt hat.

Der Klimaschutzexperte Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch hielt dem entgegen: "Echter Fortschritt bei den UN-Klimaverhandlungen ist ohne eine europäische Ankündigung zur deutlichen Anhebung des schwachen eigenen 2030-Klimaziels kaum möglich."

Die Grünen kritisierten vor allem die Haltung von Bundeskanzlerin Merkel scharf. "Immer, wenn Europa beim Klimaschutz loslegen will, tritt Deutschland mit voller Kraft auf die Bremse", monierte Parteichefin Annalena Baerbock. Die Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms hielt Klimakommissar Cañete Schwäche vor.

Dagegen meinte der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion Georg Nüßlein: "Es ist höchste Zeit für mehr Realitätssinn in der Klimapolitik." Schon das bestehende 40-Prozent-Ziel sei ehrgeizig. "Deshalb war es richtig, dass sich das Industrieland Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze einer weiteren Erhöhung widersetzt hat." Der FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler meinte, zunächst brauche die EU eine sinnvolle Klimaschutz-Strategie und die Ausweitung des Emissionshandels auf alle Wirtschaftszweige.

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