Folter in der Ukraine Europarat bestätigt Menschenrechtsverletzungen

BRÜSSEL/STRASSBURG · Das Antifolterkomitee des Europarates hat Misshandlungen von Demonstranten auf dem Maidan-Platz in Kiew gerügt. Die "vorsätzlichen Misshandlungen dieser Demonstranten durch Polizeibeamte" während der Proteste von November 2013 bis Februar 2014 seien eine allgemein akzeptierte Praxis gewesen, heißt es in dem Bericht.

Verantwortlich für die schweren Misshandlungen seien in erster Linie Mitglieder der ehemaligen Sonderpolizeieinheit "Berkut". Das Komitee bemängelt in seinem Bericht zudem Folter und schwere Misshandlungen in zwei ukrainischen Straflagern.

Dmitri Bulatow war vor einem Jahr dabei. Zusammen mit zigtausend anderen Demonstranten stand er auf dem Maidan-Platz in Kiew, um gegen das Regime des russlandhörigen Präsidenten Viktor Janukowitsch zu demonstrieren. Am 22. Januar 2014 verschwand er, erst eine Woche später tauchte er wieder auf - mit Schnittwunden im Gesicht, einem blutdurchtränkten Hemd. Acht Tage voller Folter lagen hinter ihm. Mit Messern wurde er am ganzen Körper traktiert, gekreuzigt, geschlagen. Doch sehr weit sind die Ermittler nicht gekommen. Der Zutritt zu Akten und Archiven in Kiew wurde ihnen verwehrt, obwohl der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Bericht genehmigt und seiner Veröffentlichung zugestimmt hatte. Folter gehört auch weiterhin zum Programm der ukrainischen Sicherheitskräfte und ihrer Gegner.

So würden Gefangene in Lagern wie dem der Stadt Charkow noch immer mit Schlagstöcken sexuell misshandelt sowie in Zwangsjacken gefesselt und mit Hochdruck-Wasserstrahlern gequält, heißt es in dem Bericht weiter, der nun den 47 Mitgliedern des Europarates zugeht. Diese Institution ist keine Einrichtung der EU, sondern ein eigenständiges Gremium, das die Unterzeichnerstaaten errichtet haben, um Verletzungen der Menschenrechtscharta zu verfolgen.

Das offizielle Papier aber bestätigte nur, was Augenzeugen schon seit Langem berichten: Offenbar wurde und wird von allen Parteien in diesem Konflikt Gewalt gegen die Gefangenen der jeweils anderen Seite angewendet. Zu den Opfern zählt auch der 36-jährige Oleksandr Hurow. In seiner ostukrainischen Heimatstadt hatte der Bergarbeiter eine Fahne der Separatisten von der Spitze des Regierungsgebäudes heruntergeholt. Zwei Wochen später tauchte er mit gebrochenem Kiefer, einem Nasenbeinbruch, Risswunden am Arm und gebrochenen Rippen in einem Kiewer Krankenhaus auf. "Manchmal wurde ich ohnmächtig", erzählte er. "Das war gut, dann habe ich den Schmerz nicht mehr so gespürt."

Doch nur wenige Schicksale bewegen die Ukrainer derzeit so sehr wie das der 33-jährigen Nadija Sawtschenko. Sie war die erste Ukrainerin, die einen SU-24-Bomber steuern und einen MI-24-Kampfhubschrauber lenken konnte. Mitte Juni 2014 verschwand sie bei einem Einsatz in der Krisenregion, am 8. Juli tauchte sie in einer Haftanstalt im russischen Woronesch wieder auf.

Die Behörden verweigern jede Auskunft über die Gründe ihrer Inhaftierung. Derzeit befindet sich die Frau im Hungerstreik, mehrere zehntausend Unterstützer haben einen Appell zur Freilassung unterzeichnet. Ihr Fall liegt auch dem Europarat vor. Er gehört zu den zahlreichen Schicksalen, die in diesem Krieg ungeklärt sind. Daran, so hieß es gestern, werde wohl auch der Bericht des Anti-Folter-Komitees nichts ändern.

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