Russische Agentin Fall Maria Butina wird zum Agentenkrimi

Washington · Sie soll Sex gegen Einfluss geboten haben: Die russische Agentin Maria Butina aus dem westsibirischen Barnaul kann einen interessanten Lebenslauf vorweisen.

 Suchte den Kontakt zur amerikanischen Waffenlobby und einflussreichen Politikern: Maria Butina.

Suchte den Kontakt zur amerikanischen Waffenlobby und einflussreichen Politikern: Maria Butina.

Foto: dpa

Maria Butina wurde schon früher mit Anna Chapman verglichen. Jener grazilen Rothaarigen, die 2010 in den USA als russische Agentin verhaftet und ausgetauscht wurde, zu Hause aber zum Covergirl der russischen Auslandsaufklärung geriet. Vergangenes Jahr twitterte Alexander Torschin, stellvertretender Vorsitzender der russischen Zentralbank und Staatssekretär, Maria Butina mehrdeutig: „Du übertrumpfst Anna Chapman. Sie posiert mit Spielpistolen, du aber – mit echten“.

In den USA und auch Russland werden jetzt eifrig Vergleiche zwischen Butina (29) und Chapman (36) gezogen. Tatsächlich lässt sich Maria Butina gern mit Sturmgewehren, Pumpguns oder Bockbüchsflinten ablichten, Anna Chapman posierte lieber in knappen Kleidchen, manchmal auch nackt. Aber das Flintengirl Butina glänzt mit der gleichen roten Haarpracht wie die Chapman. Und vergangene Woche wurde auch sie vom FBI verhaftet. Man wirft ihr vor, sie sei, ohne sich bei den US-Behörden gemeldet zu haben, als Agentin im Interesse des russischen Staates aktiv. Und das im Rahmen einer Verschwörung. In Russland aber hat Maria Butina jetzt durchaus Aussichten, Chapman zu verdrängen: Als neue Heldin im Kalten Krieg gegen die USA.

Der Lebenslauf der Möbelhändlerstochter Maria Butina aus dem westsibirischen Barnaul ist so dynamisch wie sie selbst. Sie studierte Politologie in der heimischen Altai-Hauptstadt, war dort in zahlreichen Vereinen und Gremien sozial und politisch ähnlich aktiv, wie ab 2010 in Moskau. Dort kämpfte sie vor allem für das Anrecht der Russen auf eigene Handfeuerwaffen, als Vorsitzende des erst regionalen, dann allrussischen Verbandes „Recht auf Waffe“.

Ab 2016 studierte sie wieder Politologie – in der amerikanischen Hauptstadt Washington. Dort entfaltete sie ebenfalls stürmische Aktivitäten, knüpfte erst Kontakte zum amerikanischen Schützenverband „National Rifle Association“, über diesen dann in konservative Republikaner-Kreisen.

Butina als verdeckte Agentin?

Laut US-Staatsanwaltschaft war sie eine „verdeckte Agentin“. Dabei machte die Butina durchaus Lärm, veröffentlichte Artikel darüber, warum ein republikanischer Präsident besser für das russisch-amerikanische Verhältnis sei als ein Demokrat. Bei einem Auftritt in South Dakota bezeichnete sie laut Lokalpresse Wladimir Putin als „Tyrann und Diktator“. Aber in Uni-Seminaren verkündigte sie, sie sei an Verhandlungen zwischen Trump-Gefolgsleuten und dem Kreml beteiligt.

Laut Staatsanwaltschaft traf die Butina sich mit einem russischen Diplomaten, den die Amerikaner für einen Spion halten, und hatte Mailkontakt zum russischen Sicherheitsdienst FSB. Sie verkehrte eng mit dem rechten US-Politologen Paul Erickson, der in der Anklageschrift als „US Person Nr. 1“ bezeichnet wird. Erickson soll ihr Listen wichtiger US-Kontakte geliefert haben, angeblich waren der 56-Jährige und Butina auch intim. Allerdings habe sie das Verhältnis als pure Notwendigkeit betrachtet, schriftlich ihre Verachtung über ihn geäußert und mindestens einmal jemand anders Sex für einen Posten angeboten, der sie interessierte.

Butina lernte republikanische Gouverneure kennen und auch Donald Trump junior, den Sohn des heutigen Präsidenten. Und sie hatte auch eine denkwürdige Begegnung mit Trump senior. Bei einer Veranstaltung im Juli 2015 in Las Vegas fragte sie den Präsidentschaftsbewerber, ob er die Russland-Sanktionen fortsetzen wolle. Er denke, dass er mit Putin „sehr nett“ auskommen werde und die Sanktionen nicht gebraucht würden, antwortete Trump.

Coaching aus Russland

Durchschlagende Erfolge erzielte Maria Butina in den USA offenbar nicht. Aber sie war eifrig bei der Sache. Und sie wurde aus Moskau gecoacht, von eben jenem Staatssekretär Torschin, für den sie auch schon als Duma-Assistentin gearbeitet hatte. Der „russische Beamte“, wie ihn die Anklageschrift nennt, und Butina pflegten einen innigen Austausch über Whatsapp. Sie spotteten über russische Liberale oder debattierten Marias Taktik in den USA. „Stille Einflussnahme auf Entscheidungsträger ist der Trend“, twitterte sie ihm. „Keine Öffentlichkeit.“ Eine halbverdeckte Agentin mit Mentor in Moskau.

„Es gibt zahllose Fotos von Butina mit prominenten US-Politikern und Anführern konservativer Organisationen“, schreibt das Soufan-Forschungszentrum, das sich mit globalen Sicherheitsfragen beschäftigt. „Sie hatte eine unglaubliche Menge an Zugang zu Menschen an der Macht – sowohl innerhalb als außerhalb der US-Regierung –, besonders für eine Studentin mit einem Studienvisum.“ Butina trat beispielsweise bei konservativen Veranstaltungen ganz öffentlich auf – wenn auch natürlich nicht als Agentin. Soufan sprach von einer „öffentlich-verdeckten Beeinflussungskampagne“.

Dort aber betrachtet man die Anklage gegen Butina als Farce. Vor allem, weil die Aktivistin am 15. Juli verhaftet wurde, einen Tag vor dem US-russischen Gipfel in Helsinki. „Das ist ein ,Geschenk’ des liberalen amerikanischen Establishments an Putin und Trump“, kommentiert die Zeitung „Iswestija.“ Anna Chapman meinte auf Instagram: „Halt aus, Maria!“ Und der Politologe Alexei Markin, gut mit Butina bekannt, sagt unserer Zeitung: „Das Schema ist doch schon lächerlich. Wieder ein Mädchen mit roten Haaren und Sexappeal. Das steht wohl so in den Lehrbüchern der US-Geheimdienste.“ Er kenne die Butina nicht, ihre politische Linie sei unklar, aber natürlich übe sie keinerlei staatliche Funktionen aus.

Prozess in Washington?

Nach Angaben des FBI wäre Butinas Mietvertrag in Washington Ende des Monats ausgelaufen – die Kisten waren schon gepackt. Die Ermittler argumentierten, dass wegen Butinas „Verbindung zu mutmaßlichen russischen Geheimdienstagenten“ des FSB Fluchtgefahr bestehe. Bei Butina habe es sich um eine „Verschwörung zur verdeckten Arbeit“ in den USA gehandelt – mit „substanzieller Planung, internationaler Koordination und Vorbereitung“, meint das FBI.

Trotzdem könnte es in Washington einen Prozess gegen die rothaarige Maria geben. Maximal drohen ihr 15 Jahre Haft. Jedenfalls kommt sie wohl nicht so schnell nach Hause wie ihre Vorläuferin Anna Chapman.

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