Konflikte Fast 50 Tote bei Angriffen auf Kliniken und Schulen in Syrien

Damaskus/New York · Nach der Münchner Vereinbarung sollte die eskalierende Gewalt in Nordsyrien eigentlich in eine Feuerpause übergehen. Doch bei Luftangriffen auf Kliniken und Schulen sterben wieder viele Zivilisten - nun gibt es Schuldzuweisungen von allen Seiten.

 Bei einem Luftangriff im Nordwesten Syriens ist ein von Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstütztes Krankenhaus nach Angaben der Hilfsorganisation zerstört worden.

Bei einem Luftangriff im Nordwesten Syriens ist ein von Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstütztes Krankenhaus nach Angaben der Hilfsorganisation zerstört worden.

Foto:  Ärzte ohne Grenzen

Bei Raketenangriffen auf mindestens fünf Krankenhäuser und zwei Schulen in Syrien sind nach Angaben der Vereinten Nationen fast 50 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch Kinder.

Viele weitere Menschen seien bei den Attacken in den Provinzen Aleppo und Idlib im Norden des Landes verletzt worden, sagte UN-Sprecher Farhan Haq in New York weiter.

Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich tief besorgt und verurteilte die Angriffe als "eklatanten Verstoß gegen internationales Recht". Das ohnehin zerstörte Gesundheitssystem des Landes werde durch die Angriffe weiter geschwächt. Zudem würfen sie einen Schatten auf Zusagen der Münchener Syrien-Konferenz für eine Waffenruhe.

Die USA verurteilten Angriffe auf Krankenhäuser scharf. Dass das syrische Regime und seine Unterstützer ihre Angriffe fortsetzten, lasse Zweifel an der Entschlossenheit Russlands aufkommen, das brutale Vorgehen des Assad-Regimes gegen die eigene Bevölkerung stoppen zu wollen, sagte US-Außenamtssprecher John Kirby.

Der syrische Botschafter in Moskau, Riad Haddad, hatte zuvor erklärt, US-Kampfflugzeuge hätten eine Klinik zerstört, die von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstützt wird. Die Militäraufklärung habe ergeben, dass die russische Luftwaffe damit nichts zu tun habe, sagte er dem russischen Fernsehsender Rossija 24. Syrische Aktivisten hatten zuvor Russland dafür verantwortlich gemacht. Von Moskau selbst gab es zunächst keine Stellungnahme dazu.

Von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) veröffentlichte Bilder der Klinik in der Stadt Maret al-Numan (Provinz Idlib) zeigten das Ausmaß der Zerstörung. MSF sprach allein dort von mindestens sieben Toten und weiteren acht vermissten Mitgliedern des Klinikpersonals, die wahrscheinlich ebenfalls umgekommen seien. Wie viele Patienten noch vermisst werden, war bis zum Abend unklar. Ärzte ohne Grenzen sprach von einem anscheinend "gezielten Angriff" auf die Klinik, legte sich aber nicht fest, wer die Schuld daran trägt.

Das von MSF unterstützte Krankenhaus wurde nach Angaben des Personals innerhalb weniger Minuten viermal getroffen. "Die Zerstörung des Krankenhauses lässt eine lokale Bevölkerung von rund 40 000 Menschen ohne Zugang zu medizinischer Versorgung zurück, in einer aktiven Konfliktzone", hieß es in einer Mitteilung von Ärzte ohne Grenzen.

"Was heute mit dem Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen passiert ist, kann auf keinen Fall hingenommen werden", kommentierte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die EU werde weiter auf alle Parteien Druck ausüben, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich für eine Flugverbotszone über Syrien aus. "In der jetzigen Situation wäre es hilfreich, wenn es dort ein Gebiet gäbe, auf das keine der Kriegsparteien Angriffe fliegt - also eine Art Flugverbotszone", sagte Merkel der "Stuttgarter Zeitung" (Dienstag).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier warf in Brüssel Russland, der Türkei und kurdischen Milizen eine Verletzung der Münchner Vereinbarungen zum Syrien-Konflikt vor. Als Teil der Absprachen seien alle Seiten aufgerufen, noch vor Eintritt der vereinbarten Waffenruhe zu einer sofortigen ‎Reduzierung der Gewalt beizutragen. Dies gelte für die militärischen Operationen Russlands und des syrischen Regimes im Raum Aleppo und jüngste Angriffe der kurdischen PYD-Milizen in Nordsyrien. Aber auch die Türkei müsse sich Zurückhaltung auferlegen.

Seit Anfang des Monats ebnen massive Luftschläge Russlands vor allem Regimetruppen, aber auch kurdischen Einheiten den Vormarsch nördlich der umkämpften Großstadt Aleppo.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu warnte die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG). Wenn sich diese nicht von einem strategischen wichtigen Luftwaffenstützpunkt in dem Gebiet zurückzögen, werde dieser zerstört. Auch werde die Türkei nicht zulassen, dass kurdische Milizen bei Asas oder westlich des Flusses Euphrat vorrückten. Nahe der Grenze zur Türkei waren die YPG und arabische Verbündete zuletzt gegen islamistische Rebellen vorgerückt.

Die türkische Armee beschoss erneut YPG-Stellungen nahe Asas, wie die Nachrichtenagentur DHA berichtete. Kurdische Milizen hätten zuvor das Feuer eröffnet, hieß es von türkischer Seite. Die Kurden wiesen dies zurück. Die YPG ist der Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und gehört zu den wichtigsten Verbündeten des Westens. Die Türkei bekämpft die PKK und befürchtet, dass die YPG und ihre Verbündeten die gesamte Grenze zur Türkei unter Kontrolle bringen. Ankara fürchtet, eine autonome Kurdenregion in Syrien könnte die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei befeuern.

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