US-Präsidentschaftswahl Fernduell ums Weiße Haus

Washington · Rund 500 Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Amerika ist die Zeit der Vorgeplänkel vorüber. Mit Hillary Clinton eröffnet heute in New York die unangefochtene Favoritin der Demokraten auf die Kandidatur an der Seite von Gatte Bill und Tochter Chelsea mit ihrer ersten großen Rede den Wahlkampf-Marathon, der die 67-Jährige im November 2016 ins Weiße Haus führen soll.

 Als Redner nur "mittelprächtig": Jeb Bush (62) will Kandidat der Republikaner werden.

Als Redner nur "mittelprächtig": Jeb Bush (62) will Kandidat der Republikaner werden.

Foto: dpa

Keine 48 Stunden später wird Jeb Bush (62) in Miami offiziell seinen Hut für die Nominierung der republikanischen Partei in den Ring werfen. Die prominentesten Vertreter der beiden großen Parteien sind damit endgültig sicht- und angreifbar. Ihr Fernduell wird das zweite Halbjahr dominieren.

Ausgang: völlig offen.

Auf republikanischer Seite schafft das Überangebot an Möchtegern-Kandidaten - es liegen bereits zehn offizielle Bewerbungen vor, mindestens fünf weitere werden folgen - bereits logistische Probleme.

Der in konservativen Kreisen Weltbild und populistische Washington-Verdrossenheit erzeugende Sender Fox News will bei der ersten Fernsehdebatte am 6. August in Cleveland nur den Kandidaten eine Bühne geben, die bei den wichtigsten Meinungsumfragen einen der ersten zehn Plätze belegen. Als Richtschnur gilt das Internet-Daten-Portal "Real Clear Politics".

Danach würden sich zurzeit neun weiße Männer und ein Afro-Amerikaner, der ehemalige Gehirn-Chirurg Ben Carson, den Moderatoren stellen. Die einzige Frau im Bewerber-Feld, die frühere Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina, fiele ebenso durch den Rost wie Senator Rick Santorum, der bereits 2012 vergebens angetreten war.

Dagegen würde sich neben Scott Walker und Chris Christie, den umtriebigen Gouverneuren von Wisconsin und New Jersey, auch der als hochnotpeinlich geltende Immobilien-Tycoon Donald Trump einen Podiumsplatz sichern. Obwohl keiner dieser drei bisher offiziell sein Bewerbungsschreiben aufgesetzt hat. Der Grund dafür dürfte auch in den umstrittenen Wahlgesetzen liegen. Kandidaten mit Brief und Siegel dürfen nicht mehr Spenden in unbegrenzter Höhe annehmen. Und ihnen und ihren Kampagnen-Teams ist die Zusammenarbeit mit den zu Geldsammelstellen degenerierten Unterstützungskomitees (Pac oder Super-Pac) untersagt.

Jeb Bush wird das nicht beeinträchtigen. Seit gefühlten sechs Monaten versucht der Präsidenten-Sohn und -Bruder, das Image von sich zu erzeugen, er sei der einzige geeignete Konservative für das höchste Staatsamt. Mit einem riesigen Netzwerk von Unterstützern und Gönnern im Rücken, darunter Dutzende, die schon für Bush I. und Bush II. gearbeitet haben, reist Jeb Bush durchs Land, fühlt nach fast zehn Jahren Abwesenheit auf der politischen Bühne Amerika die Temperatur (er war Gouverneur in Florida) und sammelt Spenden für die Wahlkampfs-Kriegskasse ein. 100 Millionen Dollar sollen es bislang schon sein. Ressourcen, an die niemand sonst heranreicht.

Dass Bush trotzdem in den Meinungsumfragen keinen soliden Vorsprung herausgearbeitet hat, ist zur Zeit das Gesprächsthema auf politischen Empfängen in Washington. Einige Gründe liegen auf der Hand. Bushs rhetorischer Eiertanz vor wenigen Wochen in Sachen Irak-Krieg, den er zuerst vehement verteidigte, um später kleinlaut von einem großen Fehler zu sprechen, legt frei, was ihn am meisten verwundbar macht: seine ausgeprägte Zurückhaltung, sich von unpopulären oder törichten Entscheidungen seines Bruders George W. zu distanzieren und den Beweis dafür anzutreten, dass er wirklich Herr seiner eigenen Gedanken ist. "Dieser Bush beeindruckt niemanden. Seine politischen Fähigkeiten sind eingerostet und er ist ein mittelprächtiger Redner", urteilt Larry Sabato, Professor für Politik an der Universität von Virginia.

Bush hat sich bislang zurückgehalten, wenn "Parteifreunde" ihn als Erben einer Polit-Dynastie abkanzelten. Mit dieser Zurückhaltung ist es ab Montag vorbei. Bushs Tross will den Sommer nutzen, um sich wieder an die Spitze des Feldes zu manövrieren. Vor allem Marco Rubio (angreifbar geworden, weil er privat eklatant über seine Verhältnisse lebt), Rand Paul (nervt viele Kollegen, weil er im Senat zu stundenlangen Ego-Shows neigt) und Scott Walker (kann den Geruch des unbedarften Regional-Politikers nicht abstreifen) "werden so manchen Pfeil abbekommen", sagen Strategen aus dem Bush-Clan.

Vergleichsweise übersichtlich und beschaulich ist das Bild bei den Demokraten. In allen Umfragen liegt Hillary Clinton nahezu uneinholbar vor den wenigen männlichen Konkurrenten. Bernie Sanders, sozialistisch angehauchter Senator aus dem idyllischen Vermont, ist mit 73 Jahren und einer ausgewiesenen Biografie als Verfechter von Gerechtigkeit der einzige, dem Analysten zutrauen, Hillary Clinton programmatisch zu bewegen.

Dagegen sind Martin O'Malley, Ex-Gouverneur von Maryland, und Lincoln Chafee, Ex-Gouverneur von Rhode Island, über den Zählkandidaten-Status bisher nicht hinausgekommen. Ihnen werden bei den Vorwahlen, die für beide Parteien Anfang 2016 in Iowa, New Hampshire, South Carolina und Nevada beginnen, gegen Clinton keine Chancen eingeräumt. Obwohl deren Haupt-Argument durchaus Resonanz findet: "Das Präsidentenamt ist keine Krone, die zwei Familien ständig untereinander weiterreichen", sagt O?Malley.

Hillary Clinton hat nach dem Trommelfeuer vieler Medien wegen ihrer üppigen Reden-Honorare und der undurchsichtigen Wohltätigkeitsstiftung ihres Mannes bereits einen Preis bezahlt: 57 Prozent der Amerikaner halten sie nach einer aktuellen CNN-Umfrage für unehrlich oder wenig vertrauenswürdig.

Dabei vollzieht die ehemalige First Lady und Außenministerin schleichend einen stattlichen Linksruck. Beim Mindeststundenlohn hat sie Obamas Zielmarke zehn Dollar getoppt - sie verlangt 15 Dollar. Außerdem will sie die Homo-Ehe in der Verfassung verankern, Millionen von illegalen Einwanderern einbürgern, das marode Justiz- und Gefängnissystem renovieren und die Wahl-Hemmnisse in vielen Bundesstaaten für Schwarze und andere Minderheiten aus dem Weg räumen. Bei ihrer Rede auf Roosevelt Island in New York, ausgewählt als Reminiszenz an ihr präsidiales Vorbild Franklin D. Roosevelt, wird erwartet, dass Clinton ihr Versprechen, die soziale Unwucht im Land in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes zu stellen, programmatisch mit Leben füllt.

Sollte es dabei hier und da überambitioniert oder radikal anmuten, raten langjährige Wahlkampf-Beobachter wie Larry Sabato zu Gelassenheit. In jedem Vorwahlkampf versuchen die Kandidaten zunächst einmal, ihre Wählerbasis (oder das, was sie dafür halten) mit saftigen Versprechen zu verwöhnen.

Weil Präsidentschaftswahlen in den USA traditionell in der Mitte der Gesellschaft entschieden werden, pendelt sich der Kampf um die Stammtische spätestens dann wieder ein, wenn sowohl Demokraten als Republikaner ihren Mann (ihre Frau) für das Rennen um das Weiße Haus endgültig auf den Schild gehoben haben. Was offiziell im Sommer 2016 auf den Parteitagen in Cleveland (Republikaner) und Philadelphia (Demokraten) geschehen wird. Spätestens ab dann werden bis zum Wahltag allseits gemäßigtere Positionen eingenommen.

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