Fragen und Antworten zu den Asylgesetzen Flüchtlinge dürfen ihren Wohnsitz selbst wählen

Brüssel/Luxemburg · Luxemburger Richter urteilen, dass Auflagen zur Freizügigkeit innerhalb Deutschlands in vielen Fällen gegen EU-Recht verstoßen.

Viele syrische Flüchtlinge zieht es nach Berlin, Zuwanderer aus Afghanistan dagegen nach Hamburg. Doch solche Schwerpunkte könnten zu sozialen Brennpunkten führen, die die Integration erschweren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat gestern entschieden: Die deutschen Behörden dürfen einer bestimmten Gruppe von Flüchtlingen Wohnsitzauflagen stellen. Aber nicht in jedem Fall.

Wann ist eine Wohnsitzauflage erlaubt?
Sie betrifft ausschließlich Flüchtlinge, die unter „subsidiärem Schutz“ stehen. Dies sind Menschen, deren Asyl abgelehnt wurde, die aber trotzdem wegen Gefahr für Leib und Leben nicht abgeschoben werden dürfen. Im Vorjahr betraf dies 0,6 Prozent aller Asylanträge in Deutschland, also rund 1700 Personen. Der EuGH hat entschieden, dass bei ihnen eine Wohnsitzauflage erlaubt ist, wenn dadurch die Chancen der Integration verbessert werden. Nicht erlaubt ist eine solche Vorschrift, wenn es nur darum geht, die Lasten der Kommunen gleichmäßiger zu verteilen.

Wie ist die Lage denn bisher?
Anerkannte Asylbewerber dürfen sich in dem Land, in dem sie Schutz bekommen haben, frei bewegen und frei entscheiden, wo sie leben. Es gibt allerdings die Möglichkeit der Behörden, während der Dauer des Asylverfahrens einen Aufenthaltsort für sechs Monate vorzuschreiben. Dann können sie auch innerhalb des zuständigen Bundeslandes reisen, müssen aber in der gemeldeten Erstaufnahmeeinrichtung leben.

Auf welcher Grundlage hat der EuGH so entschieden?
Deutschland hat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert. Sie verbietet eine Diskriminierung von Flüchtlingen gegenüber anderen Immigranten aus Drittstaaten. Außerdem legt sie fest, dass „jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig auf seinem Gebiet befinden, das Recht gewährt, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen.“ Dieser Grundsatz wird durch die einschlägige EU-Richtlinie zum Asyl nochmals betont. Beide Regeln greifen aber nicht zwingend bei Menschen unter subsidiärem Schutz. Deren Situation hat der EuGH nun klargestellt.

Hilft es denn tatsächlich bei der Integration, wenn der Staat bestimmte Vorschriften macht, um beispielsweise soziale Brennpunkte zu vermeiden?
Die Experten sind sich nicht einig. Während der Integrationsexperte Olaf Kleist sagt: „Die Tatsache, dass Menschen aus dem gleichen Herkunftsland dicht zusammenleben, ist nicht automatisch ein Problem“, halten andere die Bedeutung der Wohnsitzauflage für überschätzt. Hannes Schammann, Professor für Migrationspolitik, meint : „An der Entstehung ethnischer Kolonien würde allein eine Wohnsitzauflage nichts ändern.“

Welche Bedeutung hat das Urteil für EU?
Die deutsche Wohnsitzauflage ist in der EU einmalig. Zwar hat die EU sich bis heute nicht auf bestimmte Kontingente für die Verteilung von Asylbewerbern auf die einzelnen Mitgliedstaaten verständigen können. Dennoch würde eine solche Quote in der Praxis bedeuten, dass Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens erfahren, in welchem Land sie künftig zu leben haben. Das hat mit freier Wahl des Aufenthaltes- und Wohnortes nichts mehr zu tun.

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