Wahlerfolg gefährdet? Front gegen den Front National

Paris · Diesen Sieg wollte sich Marine Le Pen eigentlich nicht nehmen lassen. Kurz vor der zweiten Runde der französischen Regionalwahlen am Sonntag packte die Chefin des rechtsextremen Front National nochmals schwere Geschütze aus.

"Ich werde der Regierung das Leben versauen, hören Sie", erklärte sie im Gespräch mit Star-Radiomoderator Jean-Jacques Bourdin. "Jeden Tag einer jeden Woche, jede Minute eines jeden Tages werden sie von mir hören." Schließlich vertrete sie als einzige die "Stimme des Volkes" und dessen Belange.

Dabei ist die Drohung längst wahr geworden: Mehr denn je beherrscht der Front National die politischen Debatten in Frankreich, nachdem er im ersten Wahlgang am letzten Sonntag ein für ihn historisches Ergebnis eingefahren hat: Mit rund 28 Prozent lag er als stärkste politische Kraft vor den mit den Zentrumsparteien alliierten Republikanern und den regierenden Sozialisten.

Außer in Korsika hat sich der Front National in allen 13 Regionen für die zweite Runde qualifiziert, in sechs davon landete er an erster Stelle. In seinen Hochburgen Nord-Pas-de-Calais-Picardie und Provence-Alpes-Côtes d'Azur konnten Parteichefin Marine Le Pen und ihre 25-jährige Nichte Marion Maréchal-Le Pen jeweils sogar mehr als 40 Prozent der Stimmen hinter sich vereinen.

Nun aber sagen Umfragen beiden Niederlagen voraus. Etwas höher scheinen die Chancen noch in den Regionen Burgund-Franche-Comté und Elsass-Champagne-Ardenne-Lothringen. Denn während der Front National sein Stimmenreservoir weitgehend ausgeschöpft hat, können die Volksparteien noch von jenen der kleineren politischen Bewegungen profitieren.

Für die zweite Wahlrunde qualifizieren sich nur jene Kandidaten, die bei der ersten mindestens zehn Prozent erhalten haben. Parteien, die bei fünf bis zehn Prozent liegen, können sich anderen anschließen; auf diese Weise sammeln beispielsweise die Sozialisten die Anhänger der Grünen, Kommunisten und radikalen Linken hinter sich. Um eine stabile Regierung zu gewährleisten, erhält die erstplatzierte Partei zusätzlich ein Viertel der Sitze im Regionalrat.

Ein weiterer Grund für ein mögliches Scheitern des Front National ist die Strategie einer "republikanischen Front" der Sozialistischen Partei. Diese zog in den Regionen, wo die Rechtsextremen ihre stärksten Ergebnisse erzielten und der linke Kandidat weniger als 20 Prozent, den eigenen Kandidaten zurück, um die Chancen des konservativen Bewerbers zu erhöhen. Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis nannte diese Strategie ein "Opfer für unser demokratisches Ideal, das nicht umsonst sein wird". Denn in der Folge sitzt die Partei bis zu den nächsten Wahlen in sechs Jahren nicht im Regionalparlament und muss auf finanzielle Zuschüsse des Staates verzichten.

Marine Le Pen, die ihre Gewinnchancen schwinden sieht, erklärt sich zum "Opfer einer staatlichen Diffamierungskampagne". Allerdings folgten nur die sozialistischen Listenführer im Norden und im Süden der Parteilinie, während sich der Kandidat im Elsass, Jean-Pierre Masseret, widersetzte und seine Kandidatur beibehielt. Ihm droht nun ein Parteiausschluss. Auch der konservative Oppositionschef Nicolas Sarkozy verweigert die "republikanische Front" und einen Rückzug seiner Partei in Regionen, wo die Sozialisten höhere Chancen haben. Er ist stark unter Druck durch das enttäuschende Ergebnis seiner Republikaner, während die Regierungspartei in der ersten Runde die befürchtete Erosion verhindern konnte; sie dürfte zumindest drei der 13 Bezirke behalten.

Zwar ist der Einfluss der Regionen begrenzt, auch wenn die jüngste Gebietsreform ihre Kompetenzen gestärkt hat. Es handelt sich jedoch um die letzte Wählerbefragung vor den nächsten Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 und daher um einen entscheidenden Stimmungstest für alle Parteien.

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