Ökonomisches Wachstum Geld sparen mit weniger CO2

WASHINGTON/NEW YORK · Zwei Dutzend Experten aus 19 Ländern, ein Jahr konsequentes Filtern von Datenbergen, jetzt liegt das bekannt klingende Ergebnis vor: Ökonomisches Wachstum und die natürlichen Ressourcen schonendes Wirtschaften müssen keine Gegensätze sein.

 Braunkohlekraftwerke produzieren viel CO2. Einer neuen Studie zufolge lohnt sich eine Verringerung der Emissionen auch wirtschaftlich. Die Folgen eines stärkeren globalen Temperaturanstiegs kämen wesentlich teurer.

Braunkohlekraftwerke produzieren viel CO2. Einer neuen Studie zufolge lohnt sich eine Verringerung der Emissionen auch wirtschaftlich. Die Folgen eines stärkeren globalen Temperaturanstiegs kämen wesentlich teurer.

Foto: dpa

"Klimaschutz ist keine Wachstumsbremse - sondern das Gegenteil", sagte der frühere mexikanische Staatspräsident Felipe Calderón gestern in New York bei der Vorstellung eines von den Vereinten Nationen in Auftrag gegebenen Experten-Berichts mit dem Titel: "Besseres Wachstum, besseres Klima."

Das Werk soll den Klimagipfel beleben, den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nächste Woche in New York veranstaltet. Die Studie basiert im Kern auf den Grundannahmen von Lord Nicholas Stern. Der frühere Chefökonom der Weltbank hatte vor acht Jahren vorgerechnet, dass Investitionen in die Reduzierung von CO2-Emissionen die Menschheit unterm Strich viel günstiger kämen, als später die teuren Folgen eines globalen Temperaturanstiegs zu dämpfen.

Der von Calderón geleiteten Kommission gehörten neben früheren Regierungschefs wie Ricardo Lagos (Chile) auch Wirtschaftsführer wie Paul Polman und Michel Liès (Unilever und Swiss Re) an. Aus Deutschland war der ehemalige Weltbank-Vizepräsident Caio Koch-Weser beteiligt.

Wie aus dem mit umfangreichem Zahlenmaterial unterlegten Bericht hervorgeht, halten die Fachleute den Zeitraum bis 2030 für entscheidend, um global einen Wachstumspfad einzuschlagen, der die Wirtschaft nicht bremst - stattdessen aber den fortschreitenden Klimawandel. Laut Calderón stünden in den kommenden 15 Jahren weltweit Investitionen von knapp 90 Billionen US-Dollar in städtische Infrastruktur, Energie- und Verkehrssysteme an.

"Wie intelligent wir dieses Geld einsetzen, wird darüber entscheiden, ob wir auf dem Weg des unkontrollierten Klimawandels fortschreiten. Oder ob wir den Kurswechsel zu einer wachstumsintensiven, aber CO2-armen Wirtschaft schaffen."

Nicholas Stern rechnet vor, dass durch verdichtete Städte mit intelligent ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzen bis 2030 rund 3000 Milliarden US-Dollar Investitionskosten eingespart werden könnten. Positive Begleiterscheinung: weniger Luftverschmutzung, mehr Lebensqualität.

Im Energiebereich setzen die Experten darauf, dass die Hälfte neu installierter Stromversorgung künftig aus Sonnen- und Windenergie kommt. Dadurch schwinde die Abhängigkeit von der CO2-lastigen Kohle, deren Subventionen weltweit heute 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr betragen.

Um die Ernährungsmisere in vielen Teilen der Welt bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum zu lindern, schlägt die Kommission vor, zwölf Prozent der abgeholzten Regenwald-Flächen zu rekultivieren. 200 Millionen Menschen könnten so an Essen kommen, die Einnahmen der Landwirte stiegen um 40 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Gleichzeitig sinke der CO2-Ausstoß.

Von den politischen Entscheidern erwarten die Experten Impulse für Investitionen und Innovationen. Ein internationales Klimaschutzabkommen sowie ein Emissionshandel, der gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffe, seien ebenfalls unverzichtbar. Dabei müsse verstärkt der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Welthandel selbst für rund ein Viertel aller Treibhausgase verantwortlich sei. Tendenz steigend. Im Vergleich zu heute, so die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) in Genf, werde sich der globale Güteraustausch per Luft, Schiff und Straße bis 2030 verdreifachen.

Nichtstun oder Ignorieren der Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltwirtschaft dürfe keine Alternative mehr sein, betonte Nicholas Stern. Bis zum Jahr 2050 könnten rund 200 Millionen Menschen aus Afrika oder Asien zu Klimaflüchtlingen werden, allein durch steigende Meeresspiegel, Fluten und Dürren.

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