Gerichtsentscheidung in den USA Glaubenskrieg ums Abtreibungsrecht

Washington · Der Oberste Gerichtshof der USA hat über die texanischen Regeln für Kliniken zu entscheiden. Das Thema ist ohnehin politisch heikel, erst recht im Vorwahlkampf zur Präsidentschaft.

 Der Sitz des Obersten Gerichtshofes in Washington. Hier fällt eine schwerwiegende Entscheidung zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Der Sitz des Obersten Gerichtshofes in Washington. Hier fällt eine schwerwiegende Entscheidung zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Foto: AFP

Im Glaubenskrieg um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch steht in den USA eine der wichtigsten Entscheidungen seit Jahrzehnten an. Der Oberste Gerichtshof in Washington wird heute prüfen, ob der Bundesstaat Texas Abtreibungskliniken so überregulieren darf, dass viele Zentren schließen müssen und Tausende Frauen unversorgt bleiben.

Falls ja, sehen Kritiker das historische Roe-gegen-Wade-Grundsatzurteil des Supreme Courts von 1973 in seiner Substanz bedroht. Darin wurde nach erbitterten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen für rechtens erklärt, ungeborenes Leben unter bestimmten Voraussetzungen beenden zu können. Im vergangenen Jahr gab es in den USA nach offiziellen Angaben rund eine Million Abtreibungen, zwölf Prozent weniger als 2010.

Religiös orientierte Verbände haben diese Entscheidung der höchsten Richter bis heute nie wirklich akzeptiert. Inzwischen haben viele republikanisch regierte Bundesstaaten eigenhändig Abtreibung massiv erschwert. Vorreiter Texas schreibt etwa vor, dass Abtreibungsärzte in einem benachbarten Krankenhaus zugelassen sein müssen. Außerdem werden Abtreibungszentren technische Anforderungen abverlangt, wie sie für ambulante OP-Kliniken gelten.

„Planned Parenthood“, mit 800 Beratungsstellen für alle Themen der Familienplanung der größte Anbieter von Abtreibungen im ganzen Land, hält die Auflagen für Schikane, die nur ein Ziel verfolgt: „Das Rad soll zurückgedreht werden.“

Das Thema ist politisch heikel. Während sich die demokratische Favoritin für die Nachfolge von Präsident Barack Obama, Hillary Clinton, für das Recht auf Abtreibung einsetzt („Pro Choice“), haben mehrere konservative Kandidaten (Donald Trump, Ted Cruz und Marco Rubio) angekündigt, Schwangerschaftsabbrüche selbst im Fall von Inzest oder Vergewaltigung zu verhindern und staatliche Zuschüsse für „Planned Parenthood“ zu streichen.

Sie wissen dabei Hunderttausende Aktivisten der „Pro Life“-Bewegung hinter sich, deren radikaler Arm auch vor blutiger Gewalt nicht zurückschreckt. Im vergangenen November erschoss der Abtreibungsgegner Robert Dear in einer Abtreibungsklinik in Colorado drei Menschen. Laut FBI wurden Kliniken bereits Ziel von Bomben- und Brandanschlägen. Die Zahl der Sachbeschädigungen, Einbrüche und Drohungen gegen Kliniken und deren Mitarbeiter geht USA-weit in die Tausende.

Das gesellschaftlich gereizte Klima hat längst auch die Politik erreicht. Inzwischen erlauben nur noch sieben Bundesstaaten und der Distrikt um die Hauptstadt Washington Abtreibungen ohne Einschränkungen. Nach einer Bloomberg-Studie haben in den vergangenen fünf Jahren 160 Kliniken schließen müssen. In der gleichen Zeit haben die Bundesstaaten 200 Gesetze verabschiedet, die Abtreibung unmöglich machen sollen.

Die für heute angesetzte Anhörung vor dem Supreme Court hat durch den Tod des konservativen Richters Antonin Scalia zusätzliche Brisanz bekommen. Ohne den kompromisslosen Abtreibungsgegner ist ein Patt der vier konservativen und vier liberalen Richterinnen und Richter wahrscheinlich. Käme es bei der für Frühsommer erwarteten Entscheidung so, hätten die Urteile unterer Instanzen in Texas Bestand. Sprich: Das Recht auf Abtreibung wäre dort de facto ausgehöhlt.

Die Hoffnungen der Befürworter ruhen darum auf Richter Anthony Kennedy. Der 79-Jährige, eigentlich ein Konservativer, hat in der Vergangenheit mehrfach mit den moderaten Kollegen gestimmt.

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