Haushaltskrise abgesagt

BRÜSSEL · Dass es am Mittwoch zum Eklat kommen würde, schien zunächst sicher. Ende vergangener Woche machte sich Italiens Regierungschef Matteo Renzi noch über das Mahnschreiben der EU-Kommission zu seinem Etatentwurf 2015 lustig.

Französische Spitzenpolitiker, die ebenfalls einen blauen Brief bekommen hatten, zeigten sich deutlich aggressiv. Gestern löste sich der Konflikt in Wohlgefallen auf. "Es gibt keine Fälle besonders schwerwiegender Verstöße", teilte der amtierende Brüsseler Währungskommissar Jyrki Katainen nüchtern mit.

Tatsächlich hatten nicht nur Malta, Slowenien und Österreich in den letzten Tagen ihr errechnetes Defizit nach unten korrigiert, sondern auch Paris und Rom. Italiens Führung versprach, nachdem sich die Aufregung um die Mahnschreiben des Kommissars gelegt hatte, man werde weitere 4,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt des nächsten Jahres herausstreichen. Aus Paris hieß es, man werde die Einnahmen deutlich erhöhen.

800 Millionen Euro könnten durch verschärfte Bekämpfung von Steuerbetrug zusätzlich aktiviert werden. Weitere 500 Millionen werde die Reform der Unternehmenssteuer bringen, 300 Millionen Euro will man den Touristen abknöpfen, die für eine Hotelübernachtung höhere Kurtaxe zahlen müssen. Und außerdem gingen die Zinsen für den Schuldendienst zurück - macht noch einmal 400 Millionen. Insgesamt kämen so 3,6 Milliarden Euro mehr zusammen als zunächst erhofft.

Die Operation fand Gnade in den Augen des Kommissars, der den Versprechungen der vermeintlichen Haushaltssünder nur allzu gerne glauben wollte. Schließlich hat Brüssel bisher noch nie den Haushaltsentwurf eines Mitgliedslandes ablehnen müssen. Hätte es ausgerechnet die beiden EU-Schwergewichte Frankreich und Italien getroffen, wäre "wohl Feuer unter Dach" gewesen, wie es in der Umgebung Katainens hieß.

Nein, es habe keinen "Deal" gegeben, wurde bestätigt, über den im Vorfeld mehrfach spekuliert worden war, um vor allem Paris eine öffentliche Blamage zu ersparen. Man habe sich tatsächlich angenähert. Die EU-Kommission wollte, dass die Regierung von Manuel Valls das strukturelle Defizit im nächsten Jahr um 0,8 Prozent senkt, Finanzminister Michel Sapin mochte aber nur 0,2 Prozent zugestehen. Nun stehen unterm Strich eine Senkung von 0,5 Prozent und somit ein Minus von 3,8 statt der geplanten 4,3 Prozent.

Italien kämpft gegen andere Probleme. Die Regierung von Matteo Renzi wollte die Drei-Prozent-Hürde zwar nicht reißen, näherte sich ihr aber von unten an. Dass sich der römische Premier dieses Mal durch die Zusage weitere Einsparungen retten konnte, scheint allerdings ein gewagtes Manöver zu sein. Denn Renzi muss mit zusätzlichen Ausgaben rechnen.

Der EU-Haushaltskommissar kündigte gestern an, die nachgebesserten Zahlen gründlich zu prüfen. Doch das muss sein Nachfolger tun: der neue französische Kommissar Pierre Moscovici. Und der dürfte wissen, dass man ihm sehr genau auf die Finger schauen wird, denn der frühere Finanzminister in Paris gilt als mitschuldig an den aktuellen Zahlen. Die französische Etatpolitik war bereits auf heftige Kritik gestoßen - Griechenland, Portugal und Irland, die das Leben unter dem Diktat der Troika kennengelernt haben, forderten Brüssel auf, Frankreich nach den gleichen strengen Kriterien zu prüfen wie sie selbst.

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