Kriegsbeginn 1914 in Oberkassel Heimathistoriker Helmut Kötting berichtet über Ereignisse aus lokaler Sicht

OBERKASSEL · Vor hundert Jahren brannte die Welt: 70 Millionen Menschen kämpften von 1914 bis 1918 in Europa, Afrika und im Atlantik. Helmut Kötting, Zweiter Vorsitzender des Heimatvereins Oberkassel, hat in der Oberkasseler Zeitung und den Archiven recherchiert, wie sich der Erste Weltkrieg in Oberkassel ausgewirkt hat.

 Verwundete im Lazarett in Oberkassel 1917.

Verwundete im Lazarett in Oberkassel 1917.

Foto: Heimatverein Oberkassel

Zu Beginn des Krieges hatte das Oberkasseler Bürgermeisteramt die Order erhalten, so Kötting, einen vermuteten Goldtransport von Frankreich nach Russland abzufangen. Daher ließ Bürgermeister Nücker alle Eingänge in den Ort rund um die Uhr scharf bewachen. Am Bürgermeisteramt war die Hauptstraße durch ein dickes Drahtseil und umgelegte Eggen gesperrt.

Unbekannte Personen und alle Fuhrwerke mussten anhalten und einen vom Amt ausgestellten Erlaubnisschein vorweisen. Was aus dem Transport wurde, ist ungewiss.

Der Heimatforscher recherchierte, dass Beschränkungen des Postverkehrs direkt nach der Kriegserklärung einschneidend waren. Der gesamte Telefon- und Telegrafenverkehr war "in bisher nie gekannten Umfang ins Stocken geraten", hieß es in der Oberkasseler Zeitung. Verleger Eduard Heeg bat seine Abonnenten um Geduld, weil er ihnen die illustrierten Sonntagsbeilagen nicht zusenden konnte. Er bot eigene Feldpostkarten an, ab Anfang September 1914 auch "Feldpost-Kästchen zum Verschicken von Zigarren, Tabak, Schokolade, Strümpfen".

In seinem Gedicht "Notschrei" klagte Unterzahlmeister Hürter aus Oberkassel von der Front: "Haben kein Hemd und keinen Tabak, Noch weniger Bier u. Kaiserkognak. Also lindert die Not und schickt Bier." Oberkasseler Soldaten, die schon vier Wochen bei schlechtem Wetter im Schützengraben beim französischen Ripont lagen, schrieben am 20. September 1914 nach Hause. Kötting: "Ihr realistischer Lagebericht in Gedichtform endete mit den Worten ?Doch sterben auf dem Schlachtenfeld. Ist des Deutschen schönster Tod auf dieser Welt'".

Bis Anfang Oktober hatte die Ortsgruppe des Vaterländischen Frauenvereins an Oberkasseler Soldaten 70 Pakete mit Zigarren und Tabak geschickt. Jean Schmelzer, Unteroffizier und Friseur, schrieb im Auftrag seiner Oberkasseler Kameraden aus dem Schützengraben im französischen Buzy: "Lot se ruhig scheeße, mir lossen uns nit verdrieße."

Von den 3680 Einwohnern Oberkassels waren rund 20 Prozent an der Front. Am 21. August starb als erster Oberkasseler Major Max Wulff. Am 14. November starb der jüngste Kriegsfreiwillige bei Roulers, der erst 15-jährige Adolf Höhner aus Römlinghoven, Gefreiter und Träger des Eisernen Kreuzes.

Die meisten Oberkasseler hatten geglaubt, der Krieg wäre bis zum Weihnachtsfest vorbei. Dieser Wunsch erfüllte sich nicht, und doch vermuteten viele, dass der Feind schwächer würde. Am 23. Dezember veröffentlichte Verleger Heeg das Gedicht "Weihnacht 1914", in dem die Hoffnung ausgesprochen wurde: "Und zu mannhaft starkem Streiten. Für des Reiches Recht und Wehr. Woll'st du, Christkind, uns begleiten, Leuchten vor zu Sieg und Ehr".

Bekanntermaßen endete der Erste Weltkrieg erst vier Jahre später und anders, als von den zu Beginn so euphorischen Soldaten erwartet. Rund 17 Millionen Menschen mussten bis Kriegsende 1918 ihr Leben lassen.

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