Deutsches Rettungsschiff mit Ausnahmegenehmigung „Humanity 1“ legt in Sizilien an

Rom · Nachdem Italiens Behörden die Erlaubnis zum Anlegen des Rettungsschiffs „Humanity 1“ in Catania gegeben haben, darf ein Großteil der Migranten an Land. Die italienische Regierung verweigert aber 35 Flüchtlingen das Verlassen des Schiffs.

 Das Rettungsschiff SOS Humanity 1 wird von einer deutschen Organisation betrieben.

Das Rettungsschiff SOS Humanity 1 wird von einer deutschen Organisation betrieben.

Foto: dpa/Salvatore Cavalli

Es war am Samstag gegen Mitternacht, als die ersten Migranten von Bord der Humanity 1 gingen. Als erste verließen mehrere junge Frauen das Rettungsschiff der deutschen Hilfsorganisation SOS Humanity, das kurz zuvor von der italienischen Regierung eine Ausnahmegenehmigung zum Anlegen bekommen hatte, damit kranke und hilfsbedürftige Personen am Festland behandelt werden können. Auch eine Mutter mit ihrem sieben Monate alten Baby war darunter, überdies gingen mehr als 100 Minderjährige von Bord.

Nachdem Ärzte ihre Hilfsbedürftigkeit festgestellt hatten, konnten insgesamt 144 der 179 vor Libyen aufgenommenen Migranten bis Sonntag das Schiff verlassen. Doch die Odyssee der Humanity 1 und drei weiterer vor Sizilien kreuzenden privater Seenotrettungsschiffe geht weiter. 35 Migranten auf der Humanity One verweigerte die neue italienische Rechtsregierung das Verlassen des Schiffs. Nach Angaben der Hilfsorganisation brach einer der Betroffenen zusammen und musste von Bord gebracht werden.

Zwei Wochen ohne Landeserlaubnis

Einem Eil-Dekret der Ministerien für Inneres, Verteidigung und Transport zufolge muss die Humanity 1 die italienischen Territorialgewässer innerhalb einer „angemessenen Frist“ wieder verlassen. Zwei Wochen verbrachte das Schiff nach mehreren Rettungsoperationen im Mittelmeer, ohne eine Landeerlaubnis zu bekommen. Seit Freitag hatten sich zudem die Wetterbedingungen extrem verschlechtert. Ein Dutzend Anfragen des Kapitäns, einen Hafen in Italien anzulaufen, hatte Italiens Innenminister Matteo Piantedosi abgelehnt.

Die seit zwei Wochen amtierende Rechtsregierung von Giorgia Meloni beharrt darauf, dass künftig die Flaggenstaaten der privaten Rettungsschiffe die Migranten aufnehmen müssen. Die Humanity 1 fährt unter deutscher Flagge.

Die Bundesrepublik sowie Frankreich hatten vergangene Woche signalisiert, einen Teil der Migranten aufzunehmen. Am Sonntag bekam ein weiteres Schiff eine vorläufige Lande-Erlaubnis. Gegen Sonntagmittag wurde die unter norwegischer Flagge fahrende Geo Barents der Organisation Ärzte ohne Grenzen mit 572 Migranten im Hafen von Catania erwartet. Vor Catania in italienischen Territorialgewässern lagen am Sonntag auch die Rise Above der deutschen Nicht-Regierungsorganisation Lifeline mit 93 Migranten an Bord sowie die unter norwegischer Flagge fahrende Ocean Viking (SOS Mediterranée) mit 234 Menschen.

Demonstranten in Catania

Am Samstagnacht hatte rund ein Dutzend Demonstranten die Einfahrt der Humanity 1 in den Hafen von Catania begleitet. Sie protestierten gegen die Politik der Regierung von Giorgia Meloni. Die Ministerpräsidentin hatte die Hilfsschiffe privater Rettungsorganisationen kürzlich als „Piratenschiffe“ bezeichnet.

Am Sonntag ging der linke Parlamentsabgeordnete und Gewerkschaftsaktivist Aboubakar Soumahoro an Bord der Humanity 1. Soumahoro bezichtigte Regierungschefin Meloni der „Unmenschlichkeit“. „Lasst alle Personen von Bord gehen“, forderte der 42-Jährige.

Am Freitagabend hatte die Humanity 1 von der italienischen Regierung eine Anweisung bekommen, die italienischen Territorialgewässer zu verlassen, sie könne allerdings „für Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Menschen in Notlagen und in prekärem Gesundheitszustand“ vorübergehend in Catania anlegen. SOS Humanity bezeichnete das Dekret als „rechtswidrig“, alle Menschen an Bord seien hilfsbedürftig. Das Dekret war unterschrieben von Innenminister Matteo Piantedosi (parteilos), Verteidigungsminister Guido Crosetti (Fratelli d‘Italia) sowie Transportminister Matteo Salvini (Lega).

Als Innenminister hatte Salvini in den Jahren 2018 und 2019 eine ähnliche Politik betrieben. Weil er im August 2019 einem Schiff der spanischen Rettungsorganisation Open Arms mit 164 Migranten fast drei Wochen lang die Einfahrt in einen italienischen Hafen verweigerte, steht der Minister derzeit in Palermo unter anderem wegen Freiheitsberaubung vor Gericht. Dass die Regierung nun für Migranten „in Notlagen und in prekärem Gesundheitszustand“ eine Ausnahme ihrer harten Migrationspolitik macht, dürfte auch mit den rechtlichen Konsequenzen für Salvini zu tun haben.

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