London Ihre Majestät lädt ein

Kein Club ist so cool wie der Buckingham Palast, keine Einladung so begehrt wie die zur Gartenparty der Queen. Wer zusagt, begibt sich auf eine Zeitreise

 Einladung zur Queen: Jasmin Fischer.

Einladung zur Queen: Jasmin Fischer.

Foto: FP

Der Umschlag elfenbeinfarben, darauf das Wappen des königlichen Oberkammerherrn - keine Frage: Diese Einladung ist anders als alle anderen, die London-Korrespondenten, wie ich es war, auf ihrer Fußmatte finden.

Die schwere Pappkarte, von Hand beschriftet, dazu das Ticket ins "Diplomatische Teezelt" und eine rote Karte zum Passieren der Palasttore - all das lässt erahnen, dass hier keine Grillparty bei Freunden ansteht. Hier geht es um Zutritt zu einem Leben, das in Großbritannien wie kein anderes für alles Gute und Schöne, für Privilegien und Tradition steht, hier geht es um eine Gartenparty der Queen.

Nach der Freude über das begehrteste Ticket der Stadt beginnen sofort die Fragen: Was anziehen, wenn man Gast einer Ikone ist? Ein "formales Tageskleid" und einen "substanziellen Hut" fordert die Benimmliste. Außerdem ist mitzubringen: Eine Stromabrechnung, denn die gilt auf der Insel, wo es keine Personalausweise gibt, als Beleg des Wohnsitzes.

Immer an ihrer Seite: Prinz Philip

Und so finde ich mich am Tag der Tage, umgeben von Hunderten anderen in Blümchenkleidern, Hüten und Cuts auf dem Rasen hinter dem Palast. Um Punkt 16 Uhr lassen königliche Leibgardisten einen Korridor durch die Gästeschar befehlen.

Auf dem Treppenabgang erscheint nun die Queen: im fliederfarbenen Ensemble, an ihrer Seite ein feixender Prinz Philip, der sich gleich nach der ersten Kurve in der Menge selbstständig macht. Er nimmt Kurs auf einen armen Tropf, der zum Wasserausteilen am Zelt postiert ist und mit nervöser Unruhe realisiert, dass er plötzlich Mittelpunkt des Geschehens ist.

Philip stellt sich neben ihn, flüstert ihm etwas ins Ohr, der Wasserträger wird knallrot. Der Hausherr grinst und schließt wieder zu seiner Gemahlin auf. Die mustert ihn mit einem Eisblick und reserviert ihr huldvollstes Lächeln für die Gäste.

Hier und da hält sie kurz, um Komplimente in Empfang zu nehmen. Immer auf Abstand, immer hinter der roten Kordel. Auf fünf Meter kommen die Gäste an sie heran - immerhin so nah wie wohl nie wieder im Leben. Sobald der letzte Zipfel ihrer Lackschuhe im Teezelt verschwindet, gilt die Party als eröffnet.

Für die Gäste gibt es Kanapees mit Krönchen

Eine Militärkapelle spielt auf. Die Gäste stürzen sich, sowie es die Erhabenheit dieses Ortes ohne Peinlichkeit zulässt, auf Gurken- und Eiersandwiches. Jedes Kanapee trägt ein Krönchen. Auf dem Rasen entwickelt sich derweil ein sehr britisches Spektakel: Da gesellen sich Nonnen zu Soldaten, Kleriker in Purpur zu nepalesischen Gurkha-Kämpfern, zu Frauen in Saris und Kimonos.

Sie alle sind eingeladen, weil die Queen sich für ihre Arbeit bedanken will - nicht mit Urkunden, sondern einer einzigartigen Erinnerung. Daher darf man nicht überrascht sein, wenn man plötzlich zugeraunt bekommt, man möge bitteschön kurz einen Knicks machen - vor Edward Windsor, Herzog von Kent und Cousin der Queen, der mit dem Gast zu parlieren wünscht.

Die Sonne sinkt schon, da schnuppern die Gäste noch an englischen Rosen oder spähen verstohlen durch Gardinen in leere Palastsäle. Um 18 Uhr erklingt die Nationalhymne - fulminanter, aber höflicher Rausschmeißer aus diesem wunderbaren Paralleluniversum. Nach Hause geht's dann für viele Untertanen mit der U-Bahn - ihre Hüte in der Rush Hour Zeichen einer seltenen Ehre.

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