Kommentar zur US-Wahlkampfdebatte Im US-Wahlkampf ist alles offen

Meinung | Hempstead · Donald Trump hat im TV-Duell gegen Hillary Clinton verloren. Doch die Präsidentschaftswahl kann er immer noch gewinnen. Daran hat die Fernsehdebatte nichts geändert.

 In der TV-Debatte war Donald Trump seiner Rivalin Hillary Clinton unterlegen. Doch wird ihr das wirklich helfen?

In der TV-Debatte war Donald Trump seiner Rivalin Hillary Clinton unterlegen. Doch wird ihr das wirklich helfen?

Foto: dpa

Donald Trump hat verloren. Klar und deutlich. Hillary Clinton hat gewonnen. Haushoch. Das Fazit der ersten Fernseh-Debatte vor den Präsidentschaftswahlen in Amerika fällt bis auf ganz wenige Ausnahmen einmütig aus. Bei professionellen Beobachtern und Analysten. In der politischen Klasse Washingtons, und zwar parteiübergreifend. Also genau in den Teilen der Gesellschaft, die Donald Trump seit Monaten erfolgreich für den Niedergang Amerikas an den Pranger stellt. Immerhin hat er mit seiner vernichtenden Generalkritik bei den republikanischen Vorwahlen fast 14 Millionen Menschen überzeugt. Darunter sind viele, die wissen, dass Trump es nicht mit Fakten hat. Und noch weniger mit der Wahrheit. Trotzdem laufen sie ihm unbeirrt nach.

Anders gesagt: Der Nährwert des ersten Aufeinandertreffens der Kandidaten ist stark limitiert. Es ist eine Momentaufnahme. Den Wahlausgang am 8. November daraus abzuleiten, wäre vorschnell. Trump hat noch zwei Gelegenheiten, um das Blatt am Bildschirm zu wenden.

Wofür aber wenig spricht, weil es dem Bauunternehmer irreparabel an Substanz und Format fehlt. Wer 15 Monate lang seinen schäbigen Charakter, seinen unverhohlenen Rassismus, seine erschreckende Ignoranz, sein unberechenbares Temperament und seinen kindlichen Trotzkopf auslebt, kann das nicht in 90 Minuten ungeschehen machen.

Lässt man die Oberflächlichkeiten (Mimik, Gestik, etc.) weg, an denen sich Amerika so gern ergötzt, bleibt nach der Debatte in der Sache ein nüchterner Befund: Donald Trump entzieht sich mit seinen Ideenskizzen für eine wirtschaftliche, finanzielle, militärische und gesellschaftliche Gesundung der Vereinigten Staaten weiter jeder Nachprüfbarkeit. Und Trumps Markenzeichen, seine Selbstbeschreibung als überaus erfolgreicher Geschäftsmann, hält einer seriösen Überprüfung keinen Augenblick mehr stand. Alles, wirklich alles, ist hohl, undurchdacht und spätestens in einem absehbar weiter auf Selbstblockadekurs fahrenden Kongress zum Scheitern verurteilt.

Allein, geschadet hat es ihm diese miserable Karikatur von Politik bisher nicht. Wäre es anders, Clinton müsste in den Umfragen stabil zweistellig vorn liegen. Stattdessen ist 40 Tage vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu vermelden. Trump kann gewinnen. Daran hat die Debatte in Hempstead nichts geändert.

Vor diesem Hintergrund verblasst die Tatsache, dass Clinton in ihrem Bewerbungsgespräch vor dem amerikanischen Volk solide gepunktet hat. Ihr Auftritt war in nahezu allen Belangen unfallfrei, präsidiabel, geduldig, höflich, kenntnisreich und in der Abteilung Attacke teilweise sogar humorvoll. Anders als für Trump ist das höchste Staatsamt für sie nicht mehrere Nummern zu groß. Die Welt außerhalb Amerikas, insbesondere in Europa, hätte bei Clinton keinen begründeten Anlass zu übersteigerter Sorge. Die Fortsetzung der Politik Barack Obamas mit weiblichen Mitteln – ein Schreckensszenario sieht anders aus.

Aber: Eine bezwingende Vision für die nächsten vier Jahre, und das erwarten viele Amerikaner standardmäßig von einem Kandidaten für das Weiße Haus, hat sie nicht aufzeigen können. Darin könnte das Problem bestehen, wenn es gilt, unabhängige und unentschlossene Wähler auf ihre Seite zu ziehen.

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