Deutsch-Britische Beziehungen Interview: "Ihr seid unkompliziert"

BONN · Briten und Deutsche haben sich immer schon gemocht, so lautet das Bonmot, nur nie zur selben Zeit. Über die Wiedervereinigung war Ex-Premierministerin Margaret Thatcher gar nicht glücklich, jetzt zum Mauerfall-Jubiläum darf man staunen: Die Briten entdecken die deutsche Perspektive.

 Ein Käfer - heute Kunstobjekt in Hessen - war das erste Auto, das nach dem Mauerfall 1989 zwischen West und Ost den Besitzer gewechselt hat. Auch Botschafter McDonald verbindet viel mit VW.

Ein Käfer - heute Kunstobjekt in Hessen - war das erste Auto, das nach dem Mauerfall 1989 zwischen West und Ost den Besitzer gewechselt hat. Auch Botschafter McDonald verbindet viel mit VW.

Foto: dpa

Mit Sir Simon McDonald, dem britischen Botschafter in Berlin, sprach Jasmin Fischer über den Gefühlsumschwung.

Wer in diesen Tagen durch London läuft, kann den Eindruck gewinnen, die Briten wollten Deutschland neu entdecken: Die Kunstmuseen zeigen Gerhard Richter und Sigmar Polke, das Britische Museum einen Spaziergang durch 600 Jahre deutsche Erinnerungen. BBC und Guardian tauchen tief ein in das Thema Mauerfall. Wie erklären Sie sich diese neue, positive Aufmerksamkeit zwischen Angelsachsen und Teutonen?

Simon McDonald: Es gibt verschiedene Gründe. Uns ist bewusst, dass 2014 ein Jahr der Jubiläen ist - 100 Jahre sind seit Ausbruch des Ersten, 75 Jahre seit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vergangen. Unsere gemeinsame europäische Geschichte kommt damit unter die Lupe. Aber gerade das Verhältnis zwischen dem Königreich und Deutschland ist mehr als Krieg, ist vielfältiger und tiefer - man denke etwa an die Personalunion, in der vor 300 Jahren die Kurfürsten von Hannover zugleich auch England regierten. Und zu Deutschland gehören eben auch Dinge wie Meißner Porzellan oder der VW Käfer. Letzterer, das möchte ich hinzufügen, wurde noch lange erfolgreich in einer Fabrik gebaut, die ein britischer Offizier nach dem Krieg vor ihrer Demontage und Verschiffung in die Sowjetunion geschützt hatte.

Wie wirken die Deutschen auf Sie heute - im Vergleich zu 1989?

McDonald: Zum Ende der achtziger Jahre waren die Deutschen verständlicherweise vorrangig mit den eigenen Angelegenheiten, mit Innenpolitik, befasst. Heute spielen sie eine entscheidende Rolle auf der europäischen und auch internationalen Bühne.

Stört Sie das?

McDonald: Nein. Für mich als stolzer Brite ist normal, dass auch die Deutschen stolz auf ihre nationalen Eigenarten sind. Für uns geht das in Ordnung, ehrlich! Natürlich blicken wir auch auf die Unterhauswahlen kommendes Jahr. Gewinnen die Konservativen, dann wird unser Verhältnis zur EU neu verhandelt und das Ergebnis in Großbritannien zur Abstimmung gestellt. Ich bin mir sicher, dass unsere Freundschaft zu Deutschland helfen kann, ein Ergebnis zu erzielen, das es der britischen Regierung erlaubt, ihren europäischen Verpflichtungen nachzukommen, und gleichzeitig den britischen Wähler überzeugt, in der EU zu bleiben.

Das britische Außenministerium hat wunderschön dokumentiert, wie Diplomaten zur Zeit des Mauerfalls das Wörtchen "Wiedervereinigung" in ihren Depeschen nach London vermieden haben, nur um Margaret Thatcher nicht zu beunruhigen. Warum war die Premierministerin gegen die Wiedervereinigung?

McDonald: Sie war eine starke Persönlichkeit, die aus ihren Vorbehalten und Ideen kein Geheimnis machte - und der Zweite Weltkrieg hatte sie nun einmal fürs Leben geprägt. Entscheidend ist aber doch, dass das britische System die Wiedervereinigung für gut, richtig und notwendig befunden und den Prozess unterstützt hat. Die Zweifel einer Einzelperson waren ein wichtiger, nicht aber der entscheidende Faktor.

Sie sind seit 32 Jahren im diplomatischen Dienst, in der Zeit des Mauerfalls und der Wiedervereinigung arbeiteten Sie in Bonn als Botschaftssekretär für Europäische Angelegenheiten. Wie haben Sie die Tage erlebt?

McDonald: Ich querte gerade mit meiner Frau in Bonn den Rhein, als das Radio berichtete, die Grenze sei offen. Es war das einzige Mal im Leben, dass ich rechts ran fuhr, um die Nachrichten zu Ende zu hören. Es war die beste Nachricht meines beruflichen Lebens und ein wunderbarer Tag!

Mancher ausländische Beobachter findet, die Deutschen seien seit der geglückten Wiedervereinigung noch deutscher geworden - noch mehr pro-EU, noch sparsamer, dominanter, arroganter.

McDonald (lacht): Das sind Ihre Worte! Ich sage: Briten empfinden die Deutschen als unkompliziert. Es ist einfach, mit Euch zusammenzuarbeiten! Das ist wichtig, denn wenn man Waren und Dienstleistungen zusammennimmt, ist Großbritannien der wichtigste Handelspartner für Deutschland. Aber auch bei Ansätzen zu Fragen wie Ebola oder der Ukraine-Krise arbeiten wir eng zusammen. Was bleibt, ist die zum Glück freundliche Rivalität auf dem Fußballplatz.

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