Bundesfinanzminister Schäuble auf IWF-Tagung Investitionen ja, aber nicht auf Pump

WASHINGTON · Wolfgang Schäuble ist ganz entspannt. Obwohl der Bundesfinanzminister erst vor wenigen Stunden in Washington gelandet ist, kaum geschlafen und schon wieder einen vollen Arbeitstag hinter sich hat, ist er auch anderthalb Stunden vor Mitternacht US-Zeit noch zu Scherzen aufgelegt. "Ich bin nicht dafür da, Frau Lagarde oder Herrn Draghi den ganzen Tag zufriedenzustellen", sagt der deutsche Kassenwart.

 Ausnahmsweise spendabel: Wolfgang Schäuble spendet Münzen für das Kinderhilfswerk.

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Foto: dpa-Zentralbild

Die IWF-Chefin Christine Lagarde habe durchaus Recht mit ihrer Forderung nach mehr Investitionen, aber nicht auf Pump. Und für den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat Schäuble die Erklärung parat, dass es nicht an den Finanzierungsbedingungen liege, wenn nicht genug investiert werde, sondern an den nicht ausreichend vorhandenen "Opportunities", den Möglichkeiten. Wenn etwa der Flughafen in Berlin oder der Bahnhof in Stuttgart nicht fertigt werden, dann liege das nicht am fehlenden Geld, sondern an bürokratischen Hindernissen. "Daran müssen wir arbeiten", sagt der Minister.

Wie schon am Nachmittag auf einer Podiumsdiskussion betont Schäuble, dass trotz der Konjunkturflaute nicht an den strengen Haushaltsregeln in der Eurozone gerüttelt werde. Mehrmals weist er darauf hin, dass die deutsche Haushalts- und Finanzpolitik "ja wohl nicht schlecht gewesen" sein könne. "Wir haben in der Krise am meisten gelitten, aber wir sind auch am besten aus ihr hervorgekommen", sagt er und unterstreicht das mit einem beinah trotzig klingenden "das ist so".

Nüchterner als der Minister, wie es seine Art ist, analysierte der Bundesbankpräsident die Lage. Jens Weidmann nannte es unstrittig, dass die Investitionsausgaben auch in Deutschland steigerungsfähig seien. Um aber nachhaltiges Wachstum zu erreichen, sei es wenig zielführend, "konjunkturelle Strohfeuer" zu entfachen. Die ganze Debatte um eine neue Eurokrise sei schief, da sich die Konjunktur lediglich abgeschwächt habe. Natürlich hätten sich die Daten verschlechtert und natürlich würden auch die weltpolitischen Risiken wie die Ukraine-Krise oder der Vormarsch der IS-Kämpfer die Lage erschweren. Daher würden sowohl die Bundesbank als auch die Bundesregierung ihre Wachstumsprognosen "überdenken". Aber dennoch seien solide öffentliche Finanzen nach wie vor der beste Weg, um ein Klima für Investitionen zu schaffen. Und Schäuble bekräftigte, dass Vertrauen die Voraussetzung für ein nachhaltiges Wachstum in vielen Ländern der Euro-Zone sei, "das ist so".

Es stört Schäuble und Weidmann nicht, dass sie mit ihrer Position in diesem Jahr auf dem Herbstreffen relativ allein dastehen. Deutschland ist immer noch der "Anker" in Europa, wie der Minister sagt, und es wäre "töricht", wenn man das Vertrauen nun wieder aufs Spiel setzen würde. Die Forderungen der IWF-Chefin können den deutschen Minister nicht aus der Reserve locken. Und die Ankündigung von EZB-Chef Draghi, die Geldpolitik weiter lockern zu wollen, ringt dem Minister nur ein Kopfschütteln ab. "Man kann in einer Währungsunion nicht immer das Geld anderer Leute ausgeben", warnt er. Das billige Geld der EZB könnte den Eurostaaten den Anreiz für Reformen nehmen.

Konjunkturängste: Dax fällt auf seinen Stand von vor zwölf Monaten zurück

Die Börsengewinne eines ganzen Jahres sind dahin: Sorgen um die Konjunktur und um früher als erwartet steigende US-Zinsen haben den Dax gestern auf deutlich tieferem Terrain gehalten. Am Ende büßte das Börsenbarometer 2,40 Prozent auf 8788,81 Punkte ein, was den größten prozentualen Tagesverlust seit März bedeutete. So tief hatte der Dax zuletzt vor zwölf Monaten geschlossen. Unter dem Strich ergab dies für die abgelaufene Woche einen Verlust von 4,42 Prozent.

Das Dax-Fiasko in dieser Woche fing am Dienstag mit enttäuschenden deutschen Konjunkturdaten an. Die deutsche Industrie hatte im August den stärksten Rückschlag seit der schweren Wirtschaftskrise vor fünf Jahren erlitten. In den Betrieben brach die Produktion um vier Prozent ein. Am Mittwoch setzte sich die steile Abwärtsbewegung fort und ließ den Dax unter die stark beachtete 9000-Punkte-Marke abrutschen. Auslöser dafür war die Warnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor einem Abflauen der Weltwirtschaft. Zudem schraubte der IWF seine Wachstumsprognose für 2014 erneut deutlich nach unten. Händler begründeten den tiefen Fall auch damit, dass der Index psychologisch wichtige Marken gerissen habe. Dies könne neue Verkaufsaufträge auslösen und Indizes noch weiter in die Tiefe reißen. Mit 8900 Punkten sei eine solche Marke durchstoßen worden.

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