Die Corona-Krise Italien auf dem Weg in die Normalität

Rom · Zwei Monate lang verzichteten die Italiener wegen der Corona-Pandemie auf die meisten Aktivitäten außerhalb ihrer vier Wände. Jetzt lockert die Regierung die Quarantänemaßnahmen. Ab diesem Montag sollen Parks öffnen und in Bars gibt es Espresso zum Mitnehmen.

 Kurz vor der Wieder-Eröffnung: Ein Mann mit Mundschutz und Einweghandschuhen reinigt das Schild einer Bar in Italiens Hauptstadt Rom.

Kurz vor der Wieder-Eröffnung: Ein Mann mit Mundschutz und Einweghandschuhen reinigt das Schild einer Bar in Italiens Hauptstadt Rom.

Foto: dpa/Mauro Scrobogna

Sergio Paolantoni ist Eigentümer des berühmten Caffè Palombini in Rom. Die geräumige Traditions-Bar im EUR-Viertel, in der exquisite Süßspeisen wie cremegefülltes Plundergebäck feilgeboten werden, ist eine Institution in der italienischen Hauptstadt. An wenigen Orten schmeichelt der Cappuccino-Milchschaum dem Gaumen so wie hier. Zwei Monate lang hatte Paolantoni geschlossen, an diesem Montag macht er wieder auf. Italien lockert dann die in Folge der Corona-Pandemie getroffenen Quarantänemaßnahmen. Am Telefon sagt Paolantoni: „Es ist ein Anfang, ein Neuanfang.“

Zwei Monate lang verzichteten die Italiener wegen der Corona-Pandemie auf die meisten Aktivitäten außerhalb ihrer vier Wände. Mit bisher rund 29 000 Corona-Todesopfern ist das Land besonders stark betroffen. Mancherorts macht sich nun ein Gefühl der Befreiung breit. In Rom säumten am Wochenende Hunderte Spaziergänger die bis vor Tagen noch menschenleeren Straßen, Spazierengehen und sportliche Betätigung war bereits seit einigen Tagen in der Nähe der eigenen Wohnung erlaubt. Ab diesem Montag sollen Parks öffnen, Sport darf wieder ohne räumliche Beschränkungen betrieben werden. Die Luft in der Stadt ist wegen des zurück gegangenen Verkehrs so klar und sauber wie seit Jahrzehnten nicht. Das dürfte sich mit der Aufnahme zahlreicher Tätigkeiten nun wieder ändern.

Cappuccino gibt es nur zum Mitnehmen

Die Römer, aber auch viele andere Italiener, scheinen sich besonders auf ein Ritual zu freuen: den morgendlichen Caffè oder Cappuccino in der Bar. Zwar dürfen Speiselokale ihre Kundschaft erst ab Juni wieder drinnen bewirten. Der Espresso „to go“ oder Pizza zum Mitnehmen ist ab sofort wieder möglich. Seit Tagen bereitet man sich bei Palombini in Rom vor. Klebestreifen zeigen den nunmehr getrennten Ein- und Ausgang an. Ein Mitarbeiter lässt die Kunden, die Mundschutz tragen müssen, einzeln ein. Drei Kunden gleichzeitig dürfen bei zwei Meter Abstand am langen Tresen ihre Bestellungen aufgeben.

Cappuccino und Cornetto müssen dann außerhalb verzehrt werden, aber nicht direkt vor dem Lokal, um Menschenansammlungen zu vermeiden. „Von Freude kann keine Rede sein“, sagt Paolantoni. Er habe 70 Angestellte, von denen ab Montag gerade einmal sieben wieder im Einsatz sind. Der wirtschaftliche Druck auf Restaurants, Bars und den Einzelhandel ist groß. In einer symbolischen Aktion übergaben Hunderte Restaurantbesitzer vergangene Woche den Bürgermeistern die Schlüssel ihrer Geschäfte, um gegen die lange Schließung und geschäftsbedrohende Sicherheitsauflagen bei Wiederöffnung zu protestieren.

Insgesamt nehmen am Montag in Italien etwa fünf Millionen Menschen ihre Arbeit wieder auf. Während viele kleine Geschäfte noch geschlossen bleiben müssen, kann in der Baubranche, im Großhandel oder im verarbeitenden Gewerbe mit speziellen Sicherheitsvorkehrungen wie Mundschutz oder Abständen wieder gestartet werden.

Auch das exportorientierte Gewerbe nimmt seine Tätigkeit auf. Vom Autokauf bis zum Reifenwechsel ist wieder vieles möglich. Italiens Schulen bleiben weiterhin geschlossen. Die Regierung kündigte die Rückkehr in die Klassen für September an, allerdings in Kleingruppen, die sich im Turnus abwechseln sollen.

Treffen mit Freunden sind noch nicht erlaubt

Einige Verwirrung herrschte tagelang über die Frage, ob die Lockerung der Quarantäne auch die Begegnung mit Freunden einschließt. Das ist aber noch nicht der Fall. Die Regierung verfügte in einem umstrittenen, weil unklaren Passus, dass sich fortan auch Verwandte „bis zum sechsten Grad“ und Partner in einem „stabilen emotionalen Verhältnis“ begegnen dürften, wenn sie bislang nicht ohnehin zusammen gelebt haben. Italienweit gilt eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr oder in bereits offenen Geschäften wie Apotheken oder Buchläden. Die Regierung setzte den Kaufpreis auf 0,50 Euro fest.

Je nach Landesteil unterscheiden sich manche Regelungen. Regionen und Zentralregierung sind sich oft uneinig. Den 20 Regionen obliegt es nun, mögliche Neuansteckungen und die Entwicklung der Pandemie zu überwachen. Bei neuen Ausbrüchen können die Lockerungen aber auch wieder rückgängig gemacht werden.

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