Flüchtlinge Italiens Premier Renzi fordert Solidarität

BRÜSSEL · Die Flüchtlinge können kommen. Aber sie werden nur in wenigen Ländern Europas willkommen sein. Als sich beim EU-Gipfel in Brüssel herausstellte, dass sich die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs gegen eine Pflicht zur Aufnahme von rund 40.000 Flüchtlingen wehren würde, platzte dem italienischen Premier Matteo Renzi der Kragen

 Zwei Männer, zwei Themen: Italiens Premier Matteo Renzi und sein griechischer Kollege Alexis Tsipras reden über Flüchtlinge und Schulden.

Zwei Männer, zwei Themen: Italiens Premier Matteo Renzi und sein griechischer Kollege Alexis Tsipras reden über Flüchtlinge und Schulden.

Foto: dpa

"Wenn ihr mit der Zahl von 40.000 nicht einverstanden seid, verdient ihr es nicht, Europa genannt zu werden", schleuderte er den Blockierern vor allem aus Osteuropa und dem Baltikum entgegen. "Wenn dies eure Idee von Europa ist, dann könnt ihr sie behalten. Zeigt entweder Solidarität oder verschwendet nicht unsere Zeit", las er den Kolleginnen und Kollegen die Leviten. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte später ein, man habe eine "sehr engagierte Diskussion" gehabt.

"Ich denke, wir haben etwas unterschiedliche Vorstellungen von Solidarität", verteidigte sich Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite. Dagegen sprach der belgische Ministerpräsident Louis Michel von einer "betrüblichen Entscheidung". An dem Eklat konnte auch die Tatsache, dass man sich um kurz vor drei Uhr gestern Morgen auf die freiwillige Aufnahme von 40.000 Fluchtopfern einigte (weitere 20.000 aus Flüchtlingslagern sollen in die EU umgesiedelt werden), nichts mehr ändern. Immerhin erklärten sich Deutschland sowie Italien und Griechenland sofort bereit, jeweils 8000 Menschen aufzunehmen.

Zwar zeigte sich Renzi nach diesem Beschluss wieder "zufrieden", doch der Vorwurf saß tief. Und er traf diesen Gipfel ausgerechnet in einem Moment, in dem die immer wieder verschobene Griechenland-Rettung und die Forderung des britischen Premiers David Cameron nach einem Rückbau der Union zu einem reinen Binnenmarkt ohnehin an der Substanz zehrten. Der Europäische Rat, wie der Kreis der Staats- und Regierungschefs offiziell heißt, fühlte sich entlarvt. Noch vor wenigen Wochen hatten alle große Versprechungen abgegeben, um die Situation der Flüchtlinge zu entschärfen. Nun war die Mehrheit nicht bereit, sich auf einen national abgestimmten Teil der Verantwortung in Form einer Quote festlegen zu lassen.

Beschlossen wurde dagegen eine engere Zusammenarbeit mit der Nato, mit der man "die gleichen Werte und dieselbe Sicherheitsumgebung" teile. Dass Jens Stoltenberg, der Generalsekretär der Allianz, im Kreis der EU-Chefs persönlich anwesend war, sei ein "wichtiges Symbol", sagte Merkel.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bekam den Auftrag, eine Strategie gegen so genannte "hybride Gefahren" auszuarbeiten. Sicherheitsexperten fassen mit diesem Begriff die wachsenden Risiken durch Terrorismus, Partisanenkämpfer, extremistische Propaganda, Hacker-Attacken gegen die Politik und die Zivilgesellschaft sowie Störungen der Energieversorgung zusammen.Als der französische Staatspräsident nach dem offenbar islamistisch motivierten Bombenanschlag auf ein Gaswerk bei Lyon den Gipfel verlassen musste, hatte die traurige Wirklichkeit die Staatenlenker endgültig eingeholt.

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