Vorwahlen in den USA Kantersiege für Trump und Clinton
MIAMI · Donald Trump gegen Hillary Clinton. Im Ringen um die Präsidentschafts-Nominierungen in Amerika wird nach den gestrigen Vorwahlen in fünf weiteren Bundesstaaten ein Duell im November zwischen dem von weiten Teilen seiner eigenen Partei gehassten New Yorker Bau-Unternehmer und der früheren First Lady immer wahrscheinlicher.
Rein rechnerisch zumindest. Wirklich entschieden ist noch nichts. Gleichwohl statteten die Wähler den 69-Jährigen und die 68-Jährige gleichermaßen mit sehr guten Ergebnissen aus.
Trump gewann North Carolina sowie Illinois. In Missouri war das Rennen gegen Ted Cruz am Morgen (Stand 5 Uhr deutscher Zeit) noch offen. Trump sicherte sich durch einen haushohen Sieg in Florida nicht nur den Hauptgewinn des Abends: auf einen Schlag zusätzlich 99 Delegiertenstimmen für den Parteitag im Juli. Er zwang damit auch den lange Zeit als ernsthaften Konkurrenten gehandelten Lokalmatador im Sonnenschein-Staat, Marco Rubio, endgültig aus dem Rennen.
Der junge Senator (44), vor Wochen noch als „Retter“ der republikanischen Partei auf viele Titelbilder gehievt, landete mit fast 20 Prozentpunkten Rückstand auf Trump nur an dritter Stelle in seinem Heimatbundesstaat. Krachender als Rubio ist Jahrzehnte lang kein amtierender Senator mehr gescheitert. Der aus der radikalen Tea Party-Bewegung stammende Sohn kubanischer Einwanderer zog nach dieser Demütigung seine Kandidatur umgehend zurück. „Es ist nicht Gottes Wille, dass ich 2016 Präsident werde - vielleicht niemals“, sagte Rubio mit gequältem Lächeln.
Trump, bis zuletzt ein erbitterter Rubio-Gegner, bescheinigte dem Verlierer des Abends noch eine „große Zukunft vor sich zu haben“. Trump selber sprach über seine Resultate in gewohnt selbstbewusster Manier. Die „weltweit größte politische Story der Stunde“ ziehe immer mehr Interesse auf sich. Florida sei „großartig und wunderbar“. Unter seiner Führung werde Amerika „gewinnen, gewinnen und nochmals gewinnen“.
Trump erweckte den Eindruck, dass die Partei-Oberen der Republikaner sich allmählich mit ihm abgefunden haben. „Ich habe gute Gespräche mit wichtigen Leuten geführt“, sagte Trump und erklärte, nachdem er ritualhaft weite Teile der Medien als „unehrlich und abstoßend“ abgekanzelt hatte, er werde die republikanische Partei-Familie versöhnen.
Damit sind bei den Republikanern, die im vergangenen Spätsommer mit 17 Bewerbern gestartet waren, außer Favorit Trump nur noch der texanische Senator Ted Cruz und Ohios Gouverneur John Kasich politisch bis auf weiteres am Leben.
Kasich (63) konnte seinen Heimatstaat, in dem im Juli der republikanische Präsidentschaftskandidat offiziell gekürt werden soll, mit knapp sieben Prozent Vorsprung vor Trump gewinnen und auf Anhieb 66 Delegierte einsammeln. Ein symbolisch eminent wichtiger Etappensieg. Er bremst Trumps Siegeszug insofern ab, als dass der Milliardär in den ausstehenden 21 Vorwahlen bis Anfang Juni zulegen muss, um die nötigen 1237 Delegierten rechtzeitig vor dem Parteitag Ende Juli in Cleveland hinter sich zu bringen. Hätte Trump auch Ohio gewonnen, wäre Kasich zum Rückzug gezwungen gewesen. Konsequenz: Allein Ted Cruz hätte dann die Chance gehabt, den Rechtspopulisten zu stoppen.
Gelingt Trump der Zugewinn bei den Delegierten nicht (er müsste fortan rund 60 % erzielen), kann es in der Auto-Stadt in Ohio im Hochsommer zu einer turbulenten Kampfabstimmung („contested“ oder „brokered convention“) kommen, nach der am Ende ein bisher unbekannter Kandidat X den Vorzug erhält.
Dass Kasich dieser Mann sein könnte, erscheint aus heutiger Perspektive zweifelhaft, obwohl er auf das Plazet des Partei-Establishments setzen könnte. Der seit Jahren im Range eines Ministerpräsidenten anerkannte Arbeit leistende Familienvater, der Facetten von Wolfgang Clement (Wirtschaft geht vor!) und Norbert Blüm (das Soziale nicht vergessen!) in sich vereint, hat entschieden mehr Fürsprecher in der republikanischen Partei als der erzkonservativ-klerikale Cruz, den viele für noch schlimmer als Trump halten. Aber Kasich hat erst eine einzige Vorwahl gewonnen. Sein Abstand zu Trump (bisher 18 Siege) im Delegierten-Countdown beträgt fast 500 Stimmen. Auf Cruz (9 Siege) sind es rund 260.
Wo John Kasich in den noch ausstehenden Bundesstaaten nennenswert punkten könnte, ist auf Anhieb nicht ersichtlich. Aber selbst wenn: Rechnerisch kann er selbst dann nicht mehr auf das nötige Quorum von 1237 Stimmen kommen, wenn er ab sofort alles ausnahmslos abräumen würde. Kasich kann darum allein auf einen inszenierten Putsch beim Parteitag hoffen. Dazu müsste Trump unbedingt unterhalb der 1237 Stimmen-Barriere bleiben. Trotz dieser widrigen Vorzeichen sicherte Kasich seinen Anhängern verbindlich zu, weiter einen fairen Wahlkampf zu führen. „Ich werde nicht den niedrigen Pfad der Skrupellosigkeit wählen, um ins höchste Staatsamt zu gelangen“, sagte er. Eine kaum verklausulierte Breitseite gegen Trump, der seit Monaten mit Beleidigungen und Beschimpfungen für Schlagzeilen sorgt.
Einen überdurchschnittlich guten Abend bescherten die Wähler auf der anderen Seite des politischen Spektrums der zuletzt immer wieder mit Zweifeln und Vorbehalten überzogenen Hillary Clinton. Die demokratische Spitzenkandidatin deklassierte ihren Widersacher Bernie Sanders in Florida, North Carolina und Ohio. Die ehemalige Außenministerin konnte ihren Vorsprung bei den Delegiertenstimmen substanziell ausbauen. Der mit linken Umverteilungsvorschlägen gerade bei jungen Wählern anerkannte Senator aus Vermont konnte seinen Erfolg aus Michigan nicht wiederholen. Ein schwerer Rückschlag für den 74-Jährigen, der sich weit mehr ausgerechnet hatte. Allein in Missouri lag er (Stand 5 Uhr deutscher Zeit) in Reichweite eines Sieges.
Hillary Clinton war die Erleichterung über die Erfolge bei ihrem kurzen Auftritt in West Palm Beach/Florida anzusehen. „Wir kommen dem Moment näher, uns die Nominierung zu sichern und diese Wahlen im November zu gewinnen.“ Sie strahlte zum ersten Mal Siegeszuversicht aus und richtete den Blick auf die eigentliche Auseinandersetzung im November. Clinton sagte, ein US-Präsident müsse in der Lage sein, direkt nach dem Amtsantritt „Entscheidungen zu treffen“. Denn es handele sich um einen Job, der sich auf jeden Menschen auf der Erde auswirke. Jeder US-Präsident müsse das Land vor Bedrohungen von außen bewahren, „positive Veränderungen“ für die Menschen bewirken und das Land zu einer Einheit formieren. Clintons Äußerungen wurden als Kritik an der als polarisierend und ausgrenzend empfundenen Politik Donald Trumps verstanden.
Bei den Republikanern bleibt der Abgang von Rubio noch länger in Erinnerung. Seine von enttäuschten Anhängern unterbrochene Abschiedsrede in seinem Heimat-Kiez West Miami geriet zu einer einzigen Anti-Trump-Warnung. Thematisch liege sein Partei zwar sehr richtig, sagte Rubio, „aber dieses Jahr werden wir nicht auf der Gewinnerseite stehen“. Rubio spielte auf den von Donald Trump seit Monaten gepflegten Radau-Wahlkampf an, der sich auf breiter Front gegen gesellschaftliche Minderheiten wie Muslime und hispanisch-stämmige Einwanderer richtet und nach weit verbreiteter Ansicht ein Klima der Verunsicherung und latenten Militanz erzeugt hat. Rubio setzte sich massiv davon ab. Amerika benötige keine konservative Bewegung, die auf Angst und Wut gründet, sagte er. Sein Kernsatz - „Ich bitte die amerikanische Bevölkerung, sich nicht der Angst und dem Frust hinzugeben“ - klang fast wie eine Aufforderung an das bürgerliche Lager, Trump im Falle seiner Nominierung die Stimme zu verweigern.
Der vorläufige Delegierten-Stand (Stand 5 Uhr) Trump kommt auf rund 610 Delegierte. Sein aussichtsreichster Widersacher Ted Cruz hat bislang 390 Wahlmänner hinter sich. John Kasich hat rund 140. Marco Rubio kommt auf rund 160. Bei den Republikanern stehen bis zum 7. Juni noch 21 Vorwahlen aus. Dabei sind insgesamt rund 950 Stimmen zu vergeben. Wo Rubios Delegierte am Ende landen, ist ungewiss. Rubio kann sie offiziell freigeben. Wahrscheinlich fällt die Entscheidung darüber definitiv erst kurz vor dem Parteitag.
Hillary Clinton hat nach dem gestrigen Wahltag, inklusive Super-Delegierte, rund 1400 Stimmen auf dem Parteitag in Philadelphia sicher. Bernie Sanders kommt auf rund 650. Für die Nominierung sind bei den Demokraten 2383 Delegiertenstimmen erforderlich. Bei den Demokraten stehen bis zum 14. Juni noch 28 Entscheidungen an.