Malaria-Wirte Kettensägen bereiten Mücken den Weg

BONN · FORSCHUNG Die menschliche Gier nach Holz scheint unstillbar. Nutznießer sind die Malariaüberträger

 Der Baum fällt, der Mücke gefällt's: In lateinamerikanischen Regenwäldern wird gerodet, das schafft Lebensraum für Malaria-Wirte.

Der Baum fällt, der Mücke gefällt's: In lateinamerikanischen Regenwäldern wird gerodet, das schafft Lebensraum für Malaria-Wirte.

Foto: dpa

Weltweit knapp 600 000 Malaria-Tote zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO allein im Jahr 2013 - und dennoch gilt die Bekämpfung der Tropenkrankheit als Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Nachvollziehbar, waren es am Anfang des Jahrtausends noch mehr als doppelt so viele Todesfälle. Angetrieben von einer weltweiten Kampagne, für die allein Microsoft-Gründer Bill Gates eine halbe Milliarde Dollar spendete, entwickelte die Pharmabranche wirksame Medikamente, Millionen Menschen konnten geheilt werden. Nun droht neues Ungemach.

Zum Beispiel in südamerikanischen Tropenwäldern. Nirgendwo wird mehr Holz gerodet als hier. Fast 2200 Hektar pro Jahr. Und kaum irgendwo war zuletzt die Chance höher, sich mit Malaria zu infizieren, als in den besonders stark gerodeten Amazonas-Gebieten im Osten des Regenwalds. Forschungen ergaben einen 48-prozentigen Anstieg der Krankheitsfälle im Vergleich zum Rest des Gebiets. Stellenweise zählten die Forscher mehr als vier Infizierungen pro Person über einen Zeitraum von zwölf Monaten.

Einer, der die Zusammenhänge über Jahre erforscht hat, ist Christian Borgemeister. "Mücken lieben es, wenn Wälder gerodet werden", erklärt der Direktor des Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) an der Uni Bonn. "Sie mögen das zusätzliche Licht und die wenigen natürlichen Feinde. Das ist idealer Lebensraum für Stechmücken". Und dort haben die großen Errungenschaften der Malariabekämpfung kaum Auswirkung.

Denn neben neuen Medikamenten sorgte vor allem ganz simpler Schutz für einen Rückgang der Malaria: Netze und Anti-Mückenspray. Einst stachen die Mücken vor allem in der Nacht und in geschlossenen Räumen. Also wurden Netze verteilt, die schützten fortan die Bewohner und ließen die Population der verbreitetsten Überträgerarten schrumpfen. "Deren Platz wurde durch bisher unbedeutende Arten eingenommen, die sich in den Wäldern entwickelten und sich anders verhalten. Statt Nachts stechen sie nun am Tag, statt in geschlossenen Räumen suchen sie auch Menschen im Freien", erklärt Borgemeister.

Fündig werden sie, dank der zunehmenden Infrastruktur, gleich an Ort und Stelle - nicht nur in den Amazonasgebieten von Brasilien und Peru, auch in afrikanischen Waldgebieten. Borgemeister forschte zwischen 2005 und 2013 in Kenia und berichtet: "Durch Straßen, Landwirtschaft und andere Wirtschaftsproduktionen in den gerodeten Gebieten kommen immer mehr auswärtige Menschen in die Wälder." Anders als die Einheimischen, die dank neuer Medikamente mittlerweile oftmals eine Toleranz gegen Malaria entwickelt hätten, seien diese Gastarbeiter oder Touristen anfällig für die Mückenstiche. "Ich selbst war Dutzende Male infiziert. Natürlich erkrankt man, der Krankheitsverlauf ist aber moderater, wenn man mit ihr aufwächst", erzählt der Bonner Professor. Außenstehende hingegen trifft die Krankheit "mit voller Wucht, die meisten sterben daran", so Borgemeister.

Diese Problematik ergibt sich seit einigen Jahren auch in anderen Regionen: den Höhenlagen von Kenia, den Eastern Highlands beispielsweise, aber auch in den Höhenlagen Südamerikas. Das kalte Klima schreckte die Moskitos traditionell ab - dann setzte die Erderwärmung ein. "Für gewöhnlich sind Kinder und alte Menschen für Malaria anfällig", sagt der Ostafrika-Experte. "In diesen Regionen, in denen Malaria nie ein Problem war, gefährdet es nun alle Altersklassen."

Noch stellen die geschilderten Faktoren nur einen kleinen Teil aller Krankheitsfälle - doch entgegen des Trends nehmen diese Fälle zu. Hier endet derzeit die Erfolgsgeschichte.

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