Kommentar zu Waffen Kulturgut Schusswaffe

Meinung | Bonn · Nach dem Blutvergießen in den USA keimt erneut die Diskussion über strengere Waffenkontrollen auf. Doch selbst kleine Eingriffe wie ein Verbot von Sturmgewehren oder verschärfte Sicherheitsüberprüfungen sehen viele als unzulässigen Übergriff des Staates an, kommentiert Nils Rüdel.

 "Keine Waffen mehr!": Zahlreiche Menschen gedenken den Opfern, die bei Schüssen in einem Ladenkomplex im texanischen El Paso ums Leben gekommen sind.

"Keine Waffen mehr!": Zahlreiche Menschen gedenken den Opfern, die bei Schüssen in einem Ladenkomplex im texanischen El Paso ums Leben gekommen sind.

Foto: Christian Chavez/AP

Es sind Zahlen, die aufrütteln müssten: In den USA gibt es fast 400 Millionen Schusswaffen im Privatbesitz – mehr als das Land Einwohner hat. Über 30.000 Amerikaner kommen jährlich durch Schüsse ums Leben. Und die Massaker von El Paso und Dayton sind bereits das 250. und 251. „Mass Shooting“ mit mehr als vier Opfern in diesem Jahr. Wer meint, solche Zahlen müssten die Bevölkerung und republikanische Politiker endlich aufrütteln, der irrt: Es ist wahrscheinlich, dass sich auch nach den jüngsten Bluttaten, nach der erneut tobenden Debatte um eine Verschärfung des Waffenrechts und nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, dies ein bisschen zu tun, nicht viel ändern wird.

Der Grund liegt in der Bedeutung, die das Recht auf Waffenbesitz für die Mehrheit der Amerikaner hat: Es gehört zur Kultur, zum Verständnis als Bürger und zur Geschichte. Bisher ist noch jeder Versuch, den Waffenbesitz grundlegend einzuschränken, gescheitert. Das liegt an der einschüchternden Macht der Waffenlobby NRA, gegen die kaum anzuregieren ist, aber nicht nur: Viele Amerikaner lieben ihre Waffe. Selbst kleine Eingriffe wie etwa ein Verbot von Sturmgewehren oder verschärfte Sicherheitsüberprüfungen sehen viele als unzulässigen Übergriff des Staates an.

Schusswaffen sind in den USA aus mehreren Gründen beliebt. Für manche sind sie Breitensport, manchen dienen sie zudem zur Selbstverteidigung. Das Misstrauen gegen den Staat ist verbreitet, zur amerikanischen DNA gehört auch das Motto: Im Zweifel helfe ich mir selbst. Besonders im Westen ist der Spruch verbreitet: „We don't call 911“ – wir wählen nicht den Notruf. Und laut mehrerer einschlägiger Gerichtsurteile wird all dies durch die Verfassung auch gedeckt.

Amerikas Waffenfreunde sind nicht zwangsläufig empathielose Ballermänner. Massaker wie jüngst lösen auch bei ihnen Entsetzen aus. Nur die Frage nach Ursache und Folgen beantworten sie anders als jene, die nach schärferen Gesetzen rufen: In ihren Augen ist es niemals die Waffe, die tötet, sondern schuldig ist derjenige hinter dem Abzug. Und um die „Bösen“ zu stoppen, müssten die „Guten“ nur noch mehr bewaffnet werden. Wer so denkt, bei dem laufen auch alle Klagen über die 400 Millionen Waffen im Land oder die 30.000 Toten ins Leere.

Nur noch mehr Waffen machen das Land sicherer: Trump, die meisten seiner Republikaner und natürlich die NRA sind fest von diesem Prinzip überzeugt. Und so lange diese Logik mehrheitsfähig ist, so lange wird sich auch nichts grundlegend ändern.

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