Unruhen in Katalonien Lage auf Barcelonas Straßen beruhigt sich ein wenig
Madrid · Nach den Nächten mit Chaos und Gewalt beruhigt sich die Lage auf Barcelonas Straßen ein wenig. Eine Menschenkette verhinderte, dass sich die heftigen Straßenschlachten zwischen radikalen Separatisten und der Polizei wiederholten.
Nach fünf Nächten mit Chaos und Gewalt auf den Straßen Barcelonas hat sich die Lage am Wochenende zunächst beruhigt. Eine Menschenkette aus friedlichen Unabhängigkeitsbefürwortern verhinderte in der Nacht zum Sonntag, dass sich die heftigen Straßenschlachten zwischen radikalen Separatisten und der Polizei wiederholten. Die Pazifisten postierten sich in Barcelona mit erhobenen Händen als Puffer zwischen den Fronten und schafften es so, größere Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Später in der Nacht brannten zwar doch einige Barrikaden und flogen wieder Steine auf die Polizei. Aber verglichen mit den Krawallen der früheren Tage, bei denen insgesamt mehr als 500 Menschen Verletzungen erlitten, war die Nacht zum Sonntag die bisher ruhigste der ganzen Woche. „Es gab keine größeren Zwischenfälle“, bilanzierte Miquel Buch, der Innenminister der spanischen Region Katalonien am Sonntagmorgen.
Die leichte Entspannung zeigte sich auch in jenen Blumen, welche einige Bürger am Wochenende den Polizisten überreichten, die vor dem Hauptquartier der Nationalpolizei Wache standen. Ein Dank an die spanischen Sicherheitskräfte, die sich, zusammen mit Kataloniens autonomen Polizeieinheiten, den schlimmsten Unruhen seit Jahrzehnten gegenübersahen. Unruhen, welche dem Ansehen der Unabhängigkeitsbewegung schaden, die bisher ihren friedlichen Charakter betonte und knapp die Hälfte der katalanischen Bevölkerung hinter sich hat.
Schlimmste Gewaltwelle am vergangenen Freitag
Die bisher schlimmste Gewaltwelle erlebte die Stadt am vergangenen Freitag: Zunächst hatten noch mehr als 500.000 Unabhängigkeitsbefürworter friedfertig demonstriert. Sie forderten die Freiheit für jene neun Separatistenführer, die von Spaniens Oberstem Gericht wegen illegaler Aktivitäten auf dem Weg zur angestrebten Unabhängigkeit zu Gefängnisstrafen verurteilt worden waren.
In der Nacht zum Samstag explodierte dann wieder die Gewalt. Mehrere hundert junge Radikale mit vermummten Gesichtern griffen die Polizei mit Steinen, Flaschen, Stahlkugeln und Brandsätzen an. „Die Straßen gehören uns“, skandierten sie. Etliche waren in katalanische Unabhängigkeitsfahnen gehüllt. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Gummikugeln und Tränengas ein.
Die Bilanz dieser Chaosnacht in Barcelona und, im kleineren Ausmaß, auch in anderen katalanischen Städten: annähernd 180 Verletzte auf beiden Seiten, mehr als 80 Festnahmen, unzählige verbrannte Müllcontainer und jede Menge zerstörtes Stadtmobiliar.
Nicht wenige Urlauber wurden in Barcelona in den vergangenen Tagen von den Ausschreitungen überrascht. In der Nacht zum Samstag hatte die Polizei Touristen und Bewohner aufgerufen, ihre Hotels und Häuser nicht zu verlassen. Mehrere Kreuzfahrtschiffe sagten inzwischen ihre Stopps in Barcelona ab, um ihre Passagiere nicht in Gefahr zu bringen. Verletzte Urlauber gab es aber bisher offensichtlich nicht.
Regierungschef drohte mit harten Konsequenzen
Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez drohte den Tätern und Hintermännern der Krawalle mit harten Konsequenzen. „Es wird keine Straflosigkeit für die Gewalt geben.“ Madrid beschuldigt den katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra, ebenfalls ein Separatist, mit seinem öffentlichen Aufruf zum Ungehorsam gegenüber Spanien die Unruhen angefacht zu haben. Solange sich Torra nicht klar von den Gewalttätern distanziere, werde es keine Gespräche mit ihm geben, hieß es. Torra hatte am Wochenende „bedingungslose Verhandlungen“ mit Madrid gefordert.
Sánchez hatte Katalonien vor Ausbruch der neuen Krise eine größere Selbstverwaltung und höhere Geldzuweisungen angeboten. Diese Offerte war aber von Torra abgelehnt worden. Der Regionalpräsident, der auch in der Unabhängigkeitsbewegung wegen seiner Kompromisslosigkeit umstritten ist und als Hardliner gilt, hat klar gemacht, dass er nur über eines sprechen will: die Unabhängigkeit Kataloniens.