Außenpolitik Maas setzt in Japan auf Einzelgespräche

Nagoya · Heiko Maas besucht in Japan Hiroshima und das G20-Außenministertreffen in Nagoya. Es geht um große Themen wie die freie Weltordnung und atomare Abrüstung. Doch dann steckt der Außenminister wieder mittendrin in einem neuen Kapitel im Konflikt mit der Türkei.

 Krisenstimmung: Bundesaußenminister Heiko Maas und sein Amtskollege Mevlüt Cavusoglu unterhalten sich am Rande des G20-Außenministertreffens. Die Festnahme eines Anwalts in Ankara belastet das Verhältnis.

Krisenstimmung: Bundesaußenminister Heiko Maas und sein Amtskollege Mevlüt Cavusoglu unterhalten sich am Rande des G20-Außenministertreffens. Die Festnahme eines Anwalts in Ankara belastet das Verhältnis.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Einer der schwierigsten Dauerproblemfälle der deutschen Außenpolitik holt den Chefdiplomaten auch am anderen Ende der Welt wieder ein. Bei seiner dreitägigen Reise nach Japan wollte Außenminister Heiko Maas (SPD) eigentlich seine Schwerpunktthemen atomare Abrüstung und Multilateralismus voranbringen. Doch dann zieht ein neuer Streit mit der türkischen Regierung fast alle Aufmerksamkeit auf sich.

Maas sitzt am Mittwochabend gerade in der Regierungsmaschine Richtung Hiroshima, als sich in Deutschland die Nachricht von der Verhaftung eines Anwalts der deutschen Botschaft in Ankara verbreitet. Verdacht der Spionage. Ein diplomatischer Affront. Der Fall ereignete sich schon Mitte September, aber jetzt ist er öffentlich, und die Öffentlichkeit verlangt eine Antwort. Die kommt dann Freitagfrüh Ortszeit in Hiroshima, nachdem der Außenminister den Schauplatz des ersten Atombombenabwurfs besichtigt und einen Kranz niedergelegt hat. Die Festnahme des Anwalts sei „in keinster Weise nachvollziehbar“, sagt Maas und kündigt an, mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu darüber zu sprechen.

So ist der Ton gesetzt für das Treffen der Außenminister der 20 wichtigsten Industriestaaten (G20), das am Freitagabend im 500 Kilometer von Hiroshima entfernten Nagoya beginnen soll. Maas nimmt den Shinkansen-Schnellzug, besichtigt bei einem Zwischenstopp noch die alte Kaiserstadt Kyoto. Beim Abendessen im Kreis der Kollegen, so wird Maas später berichten, habe er dann das erste von mehreren Malen an diesem Wochenende mit Cavusoglu gesprochen.

Der Fall des verhafteten Anwalts, ein türkischer Staatsbürger, ist besonders heikel. Wie auch immer er ausgeht, er hat jetzt schon Schaden angerichtet. Denn die Gefahr besteht, dass sich künftig kaum noch ein Jurist in der Türkei trauen wird, für die deutsche Botschaft zu arbeiten. Die Diplomaten sind aber auf die Kenntnisse der so genannten Vertrauensanwälte vor Ort angewiesen. Der jetzt inhaftierte Jurist sollte Einschätzungen und Informationen für Asylverfahren von Türken zusammentragen. Nun könnten sensible Daten über die rund 50 türkische Asylbewerber in die Hände der Sicherheitsbehörden gelangt sein.

Die Verhaftung des Anwalts ist ein neuer Streitpunkt in einer langen Liste zwischen Deutschland und der Türkei. Zuletzt hat der Einmarsch der türkischen Armee, den Deutschland als völkerrechtswidrig betrachtet, das Verhältnis schwer belastet. Immer wieder sind es auch Verhaftungen aus politischen Gründen wie Terrorverdacht, die Sorgen bereiten. 60 Deutsche sitzen derzeit in türkischen Gefängnissen, 55 dürfen das Land nicht verlassen. Wie viele der Fälle einen politischen Hintergrund haben, will das Auswärtige Amt nicht sagen.

Maas berichtet dann am Samstagnachmittag vor dem Tagungshotel in Nagoya von seinen Unterredungen mit dem türkischen Kollegen Cavusoglu. „Ich habe ihm nochmal gesagt, dass wir eigentlich kein Verständnis dafür haben“, sagt der Außenminister. „Letztlich ist das ein Fall, der bedauerlicherweise wie viel zu viele andere Fälle für uns nicht nachvollziehbar ist.“ Cavusoglu habe angekündigt, dass die Sache von der türkischen Justiz geprüft werde. „Deshalb werden wir mit den Verantwortlichen in der Türkei dazu im Gespräch bleiben“, kündigt Maas an. Das Verhältnis zur Türkei sei im übrigen nach wie vor „schwierig“.

Das Treffen mit Cavusoglu wird für den deutschen Außenminister nicht das einzige diplomatisch heikle an diesem Wochenende sein. Auch mit dem saudischen Kollegen Prinz Faisal bin Farhan bin Abdullah Al-Saud, der fließend Deutsch spricht, kommt Maas zusammen. Saudi-Arabien, das am 1. Dezember von Japan die Präsidentschaft in der G20 übernimmt, steht unter anderem wegen des Krieges im Jemen und der Ermordung des Journalisten Jamal Khaschoggi international in der Kritik. „Letztlich hat es Saudi-Arabien in der Hand, Antworten zu geben, die die Staatengemeinschaft zufrieden stellen“ sagt Maas. Er will sich nicht festlegen, ob er dort an einem G20-Außenministertreffen teilnehmen wird. Es gebe auch noch keine Zeitplanung.

Offiziell auf der Tagesordnung stehen beim G20-Außenministertreffen Afrika, Freihandel und die UN-Nachhaltigkeitsziele. Es fehlen in Nagoya allerdings prominente Namen: Sowohl US-Außenminister Mike Pomeo als auch die Kollegen aus Großbritannien und Frankreich, Dominic Raab und Jean-Yves Le Drian, lassen sich vertreten. Im Anschluss gibt es noch ein Treffen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen. Eine Abschlusserklärung ist nicht vorgesehen. „Es ist ein großer Aufwand und eine lange Reise“, sagt Maas. „Aber ich bin fest davon überzeugt, dass solche Zusammenkünfte nutzen“. Der Außenminister nutzt die Konferenz vor allem für Einzelgespräche. Neben Cavusoglu trifft er unter anderem seine Kollegen aus Australien, Chile und Kanada. Einem aber geht Maas aus dem Weg: Wang Yi aus China. Das Verhältnis zwischen den beiden ist seit einem Treffen von Maas mit Joshua Wong, einem Anführer der prodemokratischen Hongkong-Demonstranten, schwer belastet.

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