Terrorismus Mehr Todesopfer nach Brüsseler Anschlägen

Brüssel · Eine Woche nach der Terrorserie werden erst jetzt weitere Todesopfer bekannt, wegen des Wirrwarrs bei den Behörden. Ein Hauptverdächtiger kommt überraschend wieder frei. Aber wer ist nun der "Mann mit Hut"?

 Zahlreiche Menschen gedenken in Brüssel der Opfer der Anschläge.

Zahlreiche Menschen gedenken in Brüssel der Opfer der Anschläge.

Foto: Olivier Hoslet

Eine Woche nach der Terrorserie von Brüssel hat sich die Zahl der Todesopfer um vier auf 35 erhöht. Die neu bekannt gegebenen Opfer sind in den vergangenen Tagen in Krankenhäusern ihren Verletzungen erlegen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte.

Hinzu kommen noch die drei islamistischen Selbstmordattentäter. Die belgische Justiz erließ zudem Haftbefehle gegen drei weitere Terrorverdächtige.

Eine Spur verlief aber im Sand: Die Ermittler ließen den am Freitag unter Terrorverdacht verhafteten Fayçal C. wieder frei. Die Hinweise, die zu seiner Festnahme führten, bestätigten sich nicht. Damit dürfte der Mann nicht der gesuchte dritte Terrorverdächtige vom Brüsseler Flughafen sein. Auf Fahndungsbildern ist der Mann mit heller Jacke und einer Mütze mit den beiden späteren Selbstmordattentätern zu sehen, Ibrahim El Bakraoui und Najim Laachraoui.

Zu den Anschlägen am Dienstag am Flughafen und in einer U-Bahn hatte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt. Es gab dabei auch 340 Verletzte.

Dass erst jetzt weitere Todesopfer bekannt gegeben wurden, erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ine Van Wymersch, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten der Behörden. Der Krisenstab sprach von Verzögerungen im Informationsfluss. Den aktualisierten Angaben zufolge wurden 31 Menschen am Dienstag am Flughafen oder in der U-Bahn getötet, vier weitere starben später in Kliniken.

Die drei am Montag in Haft genommenen Terrorverdächtigen waren tags zuvor festgenommen worden. Sie sollen einer terroristischen Vereinigung angehören. Ein vierter Mann blieb nur vorübergehend in Polizeigewahrsam und kam wieder frei. Am Sonntag hatte es insgesamt 13 Anti-Terror-Razzien gegeben, die meisten im Großraum Brüssel. Eine Verbindung zu den Attentaten vom Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft aber nicht hergestellt.

Nach den Anschlägen geraten europaweit immer mehr Verdächtige ins Visier der Ermittler. Am Sonntag nahm eine niederländische Anti-Terror-Einheit in Rotterdam einen 32-jährigen Franzosen fest. Er wird von der französischen Justiz verdächtigt, an der Vorbereitung eines Anschlags in Frankreich beteiligt zu sein, wie die Staatsanwaltschaft Rotterdam mitteilte. Bei der Razzia wurden auch drei weitere Personen festgenommen.

Die Festnahme des Franzosen in Rotterdam stand im Zusammenhang mit dem Anschlagsplan, den die französischen Behörden am Donnerstag mit einer Festnahme vereitelt hatten, wie Innenminister Bernard Cazeneuve mitteilte. Er hatte gesagt, der Plan sei in einem "fortgeschrittenen Stadium" gewesen.

Die Randale Hunderter teils rechtsradikaler Hooligans am Sonntag auf dem Brüsseler Börsenplatz entfachte in Belgien politischen Streit. Etwa 400 Hooligans hatten eine friedliche Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge gestört. Bürgermeister Yvan Mayeur beschwerte sich im Sender RTL, die Polizei des Ortes Vilvoorde nördlich von Brüssel habe die Hooligans nicht aufgehalten. Über Vilvoorde war der Großteil der Unruhestifter überwiegend aus Antwerpen angereist.

Vizekanzler Sigmar Gabriel mahnte die 28 EU-Staaten, die Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf und vor allem den Datenaustausch ihrer Behörden zu verstärken. Zurzeit säßen die EU-Mitgliedsstaaten geradezu auf ihren Daten, sagte der SPD-Chef der "Bild"-Zeitung (Dienstag). Gabriel wies darauf hin, dass die Anschläge von Paris und Brüssel nicht von Zuwanderern verübt wurden. Die Terroristen seien in Frankreich und Belgien geboren und aufgewachsen. Das zeige vor allem, dass Ghettobildungen wie in Paris und Brüssel verhindert werden müssten. "Wer Ghettos zulässt, sät den Keim für Kriminalität, Gewalt und am Ende auch für Terror."

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