Papst-Reise nach Mexiko Mexiko erlebt einen zornigen Papst

Cuidad Juárez · Franziskus prangert bei seiner jetzt zu Ende gegangenen fünftägtigen Reise Korruption, Drogenhandel und Kapitalismus an.

 Gruß nach drüben: Der Papst in Mexiko an der Grenze zu den USA.

Gruß nach drüben: Der Papst in Mexiko an der Grenze zu den USA.

Foto: dpa

Papst Franziskus, der als mild und freundlich gilt, mag es bekanntlich überhaupt nicht, wenn man ihm die Richtung vorgibt. Da reagiert der 79-jährige Argentinier zuweilen allergisch. Auf seiner nun zu Ende gegangenen fünftätigen Mexiko-Reise war das bei einem Treffen mit Jugendlichen in Morelia im Staat Michoacán zu sehen. Als ein junger Mexikaner den Papst beim Bad in der Menge so stark an der Soutane zog, dass der Pontifex auf ein Kind im Rollstuhl stürzte, rief Franziskus mit erbostem Gesichtsausdruck: „Nicht egoistisch sein, nicht egoistisch sein!“

So zornig hat man Jorge Bergoglio selten erlebt. Abgesehen von dieser Episode entsprach die zwölfte Auslandsreise des Papstes in eines der katholischsten Länder Lateinamerikas jedoch präzise den programmatischen Vorstellungen von Franziskus. Die Kirche müsse an die Peripherien gehen, hatte der Papst kurz vor Beginn seines Pontifikats im März 2013 gesagt. In Mexiko, wo er triumphal empfangen wurde, löste Franziskus diese Forderung auf intensive Art ein.

Höhepunkt war der Besuch am Mittwoch in der Grenzstadt Ciudad Juárez, in der Franziskus zunächst ein Gefängnis besuchte und eine Messe vor mehr als 200 000 Besuchern feierte, nur 80 Meter vom Metallzaun entfernt, der Mexiko von den USA trennt. In der direkt angrenzenden US-Stadt El Paso verfolgten 50 000 Menschen in einem Stadion den Gottesdienst live auf Großbildleinwänden. Zehntausende Migranten aus Lateinamerika versuchen diese Grenze jedes Jahr zu überwinden.

Wegen einer desolaten Mischung aus Drogenhandel, Gewalt, Ausbeutung, Migration und Menschenhandel galt Ciudad Juárez bis vor kurzem als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Franziskus beklagte „schreckliche Ungerechtigkeiten“, die die Migranten hinnehmen müssten. Insbesondere für Jugendliche sei der Ausweg aus der „Spirale der Gewalt und der Hölle der Drogen“ beinahe unmöglich. Bei einem Treffen mit Arbeitern in Ciudad Juárez wiederholte Franziskus seine Kapitalismuskritik: „Der Fluss des Kapitals darf nicht den Fluss und das Leben der Menschheit bestimmen“, mahnte er.

Ein Zeichen seiner Mariengläubigkeit und seiner Achtung für die Volksfrömmigkeit hatte Franziskus zu Beginn seiner Reise beim Besuch des Marienheiligtums Unserer Lieben Frau von Guadalupe bei Mexiko-Stadt gesetzt. Aufsehen erregte dann vor allem seine Visite in Chiapas, einer der ärmsten Regionen Mexikos. Franziskus bat die indigenen Völker dabei um Vergebung für die Gräueltaten, die ihnen im Lauf der Jahrhunderte angetan worden waren und lobte den harmonischen Umgang der indigenen Bevölkerung mit der Natur.

Die von Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si ausgedrückte Sorge um Umwelt und Schöpfung war dabei unüberhörbar. Am Tag darauf klagte der Papst in Morelia in der von Drogenkartellen dominierten Unruheprovinz Michoacán über Gewalt und Kriminalität. „Jesus Christus würde uns nie dazu auffordern, Auftragsmörder zu werden“, sagte der Papst in einer Rede vor 85 000 Jugendlichen.

Schätzungen zufolge sind in den vergangenen zehn Jahren etwa 100 000 Menschen im Zusammenhang mit der Drogengewalt in Mexiko ums Leben gekommen. Auch die katholische Kirche in Mexiko, deren Spitze häufig enge Beziehungen in Politik und Gesellschaft pflegt, rief der Papst auf, trotz der schwierigen Verhältnisse, nahe bei den Menschen zu sein und sich nicht „zu verschanzen“. Auch mehrere Dutzend Priester sollen in den vergangenen Jahren Opfer von Gewalt in Mexiko geworden sein.

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