Prozess in den USA Monsanto geht nach Urteil in die nächste Instanz

Washington · Ein Urteil in den USA belastet die Bayer-Aktie. Der Chemieriese übernimmt den US-Saatgutkonzern Monsanto, der wegen des Pflanzenwirkstoffs Glyphosat zu hohem Schadenersatz verdonnert wurde.

Ein Gericht in den USA hat Monsanto verurteilt. Der Konzern soll knapp 290 Millionen Dollar an einen Amerikaner bezahlen, der an Krebs erkrankt ist. Das Unternehmen hat Berufung eingelegt. Die Klagen bleiben aber ein Risiko für die Monsanto-Mutter Bayer. Am Aktienmarkt haben Anleger verschreckt reagiert – und die Papiere am Montag in hohem Bogen aus ihren Depots geworfen.

Es gibt mindestens zwei miteinander wettstreitende Erzählungen über die Geschichte der Heirat von Bayer und Monsanto. Die eine erzählt von großen Chancen, guten Perspektiven und glänzenden Bilanzen durch die Mega-Fusion. „Die Übernahme von Monsanto ist ein sehr wichtiger Schritt in der Entwicklung von Bayer“, sagte Bayer-Chef Werner Baumann denn auch Bayer-Aktionären auf der Hauptversammlung des Konzerns. Das war im Mai, unmittelbar vor dem Abschluss der Übernahme von Monsanto. Angesichts einer wachsenden und alternden Weltbevölkerung sei die Übernahme konsequent und richtig. „Viele der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit stellen sich in den Bereichen Gesundheit und Ernährung.“

Die andere Erzählung handelt von den Risiken der Monsanto-Übernahme. Und sie ist etwas länger. Hier geht es beispielsweise um die Frage, ob der aktuelle Pfad der industriellen Landwirtschaft nachhaltig und auch in Zukunft noch beschritten wird. Aktuell aber vor allem um ein umstrittenes Pflanzenschutzmittel namens „Roundup“. Denn das enthält Glyphosat, was im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Niemand Geringeres als die Weltgesundheitsorganisation WHO befand, dass Glyphosat „wahrscheinlich“ krebserregend sei. Dieser Sichtweise sind nun amerikanische Richter gefolgt: Ein Gericht in San Francisco hat Monsanto verurteilt, weil der Konzern nicht ausreichend vor den Risiken des Einsatzes von glyphosathaltigen Pestiziden des Konzerns gewarnt habe. 289 Millionen Dollar Strafe stehen nach dem Urteil nun im Raum, der Konzern hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Anleger flüchten in Scharen

Nichtsdestotrotz gibt es Folgen: Anleger an der Börse sind in Scharen geflüchtet, haben Bayer-Papiere in großem Stil verkauft. Um mehr als zehn Prozent haben Aktien von Bayer gestern in Frankfurt an der Börse nachgegeben – ein ungewöhnlicher Verlust für einen Dax-Konzern an einem Tag. „Das ist ein Absturz, weil man eine Strafe in dieser Größenordnung nicht erwartet hat“, sagt Aktienhändler Oliver Roth aus dem Wertpapierhandelshaus Oddo Seydler.

„Nun sehen wir, dass die Risiken größer sind, als man das im Vorfeld – zumindest vonseiten der Bayer-Führung – gehört hat.“ Das Risiko lässt sich auch auf andere Weise wirtschaftlich beziffern: Im vergangenen Geschäftsjahr hat Monsanto rund ein Viertel seiner Umsätze im Geschäftsbereich „Agricultural Productivity“ gemacht. Die Umsätze in Höhe von 3,7 Milliarden Dollar in diesem Bereich verdankt Monsanto im Wesentlichen dem Vertrieb glyphosathaltiger Pestizide.

Es handelte sich um den ersten Prozess in den USA, der sich mit der Frage befasste, ob Glyphosat Krebs verursachen kann. Doch es wird bei weitem nicht der letzte sein: Monsanto sieht sich beim Thema Glyphosat mehr als 5000 ähnlichen Klagen in den USA gegenüber. „Das hat immer so einen gewissen Nachzug-Effekt. Da werden sich vermutlich noch viele Menschen an mögliche Sammelklagen hängen“, meint Uwe Treckmann, Branchenanalyst von der Commerzbank.

Aus Sicht von Bayer und Monsanto allerdings ist es für Schwarzmalerei noch zu früh. Denn Monsanto wird in die nächste Instanz gehen. Grundsätzlich ist es in den USA nicht ungewöhnlich, dass Strafzahlungen bei solchen Verfahren später erheblich verringert werden; mitunter kassieren Richter die Urteile in der nächsten Instanz wieder ganz. Analyst Michael Leacock vom Investmenthaus Mainfirst sagte, das Urteil dürfte wegen der Unsicherheiten aber lange auf den Aktien lasten.

Größte Auslandsübernahme eines deutschen Unternehmens

Und das ist kein Wunder. Denn sollten wirklich Zahlungen und Strafen in solchen Dimensionen auf Monsanto und Bayer zukommen, beliefen die sich schnell auf mehrere Hundert Milliarden US-Dollar. So etwas kann kein Konzern aus eigener Kraft überleben. Die meisten Beobachter meinen aber, dass es zum Äußersten nicht kommen werde. Dazu stehen – auch auf amerikanischer Seite – zu viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Für Monsanto arbeiten gut 23 000 Mitarbeiter. Die Fusion beider Unternehmen sollte die Stärken beider Unternehmen verbinden – und natürlich Synergien schaffen. Auf 1,2 Milliarden Euro jährlich kalkuliert Bayer die Einsparungen durch den Zusammenschluss.

In der Tat sind die Leverkusener durch die Fusion zum Weltmarktführer im agrarchemischen Bereich aufgestiegen, insbesondere im Bereich des Saatgutes. Und ein Platz in den Geschichtsbüchern ist der Fusion jetzt schon sicher: Mit einem Volumen von rund 63 Milliarden Dollar – umgerechnet etwa 56 Milliarden Euro – ist es die größte Auslandsübernahme eines deutschen Unternehmens in der Wirtschaftsgeschichte.

Bei Bayer allerdings kann die Fusion auch erheblich am Ruf kratzen. Zwar verschwindet im Zuge des Zusammenschlusses der Name Monsanto. Damit verschwindet aber nicht, wofür Monsanto in den Augen vieler Menschen hierzulande steht. So steht Glyphosat im Verdacht, Krebs zu erregen; Monsanto verdient sein Geld aber auch mit gentechnisch veränderten Pflanzen – und die lehnen viele Verbraucher hierzulande vehement ab. Deswegen ist das Reputationsrisiko im Zuge der Übernahme enorm gestiegen – was man am Widerhall des Urteils der US-Richter nun studieren kann. „Der Name, der jetzt für all das steht, ist Bayer“, sagt Uwe Treckmann. „Es ist die ‚Monsanto-Horror-Show‘, die wie eine Welle über die Leverkusener hinüberschwappt. Damit müssen sie nun umgehen können.“

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