Sicherheit in den USA Muslime sollen zu Verbündeten werden

Washington · Barack Obama will seinen Kurs im Anti-Terror-Kampf nicht ändern. Unmittelbar nach dem Schlusssatz polteren die Republikaner los: "Enttäuschend, naiv, viel zu weich".

Auch nach dem ersten islamistisch motivierten Massenmord im Gefolge der Attentate vom 11. September 2001 plant US-Präsident Barack Obama keine Kursänderung im Anti-Terror-Kampf. Ein Kriegspräsident, wie es die oppositionellen Republikaner immer lauter fordern, will er auf keinen Fall werden.

In einer durch das Massaker von San Bernardino mit 14 Toten ausgelösten Fernsehansprache äußerte der Präsident am Sonntagabend Verständnis dafür, dass sich viele Bürger fragen, "ob wir mit einem Krebsgeschwür konfrontiert sind, für das es kein sofortiges Heilmittel gibt". Obama warb für mehr Geduld. Und Augenmaß.

Er erklärte, dass Amerika der "realen" Bedrohung durch den Terror sehr wohl gewachsen sei und das Bündnis Islamischer Staat und alle andere Organisationen "zerstören werde, die versuchen, uns zu töten". Terroristen würden vom US-Militär "unnachgiebig gejagt", wo immer sie sich auf aufhielten.

Entscheidend sei, dass Amerika dabei "stark, klug, widerstandsfähig und unerbittlich" vorgehe. Forderungen nach dem Einsatz von US-Bodentruppen im syrisch-irakischen Kerngebiet des IS und die pauschale Verdächtigung von Muslimen in Amerika seien das Gegenteil davon, sagte der Präsident.

Im ersten Fall würde eine jahrelange Besetzung die Folge sein, die kostspielig und zermürbend wäre - eine Anspielung auf seinen Amtsvorgänger George W. Bush, der die Invasionen in Afghanistan und im Irak zu verantworten hat. Im zweiten Fall betriebe man das Spiel des IS, der die Gesellschaft spalten wolle. Es herrsche aber kein Krieg zwischen Amerika und dem Islam. "Der IS spricht nicht im Namen des Islam", sagte Obama, und bezeichnete die Terrorgruppe als eine Bande von "Gaunern und Mördern".

Obama nannte in seiner 13-minütigen Rede das Attentat vom vergangenen Mittwoch erstmals einen "Akt des Terrorismus, um Amerikaner zu töten". Der Umstand, dass die Täter, ein bis dahin unauffälliges amerikanisch-muslimisches Ehepaar (28 und 29 Jahre alt), auf den "dunklen Pfad der Radikalisierung" ohne direkte Anbindung an Netzwerke gegangen seien, ist laut Obama Beleg für eine "neue Phase".

Terroristen wählen "weniger komplizierte Gewaltakte"

Seit die Sicherheitsbehörden komplexe Attacken wie den 11. September wirksamer verhindern könnten, schalteten die Terroristen auf "weniger komplizierte Gewaltakte" um.

Obama betonte, dass es einen lückenlosen Schutz nicht gibt. "Wir können nicht jeden potenziellen Attentäter enttarnen", sagte er, "aber wir können ihnen das Töten erschweren". Heißt: Einschränkung beim Verkauf halbautomatischer Sturmgewehre, wie sie bei vielen Massakern der letzten Jahren zum Einsatz kamen. Eine Forderung, die bei den Republikanern auf Ablehnung stößt. Heißt: Wer aus Ländern kommt, die Kriegszonen darstellen, soll es künftig schwerer haben bei der Einreise. Das gilt auch für Visa-Empfänger wie es Tashfeen Malik war, die über Pakistan und Saudi-Arabien gekommene Todesschützin von San Bernardino. Die letzten Punkte dürften mit der Opposition konsensfähig sein.

Obama bekräftigte die bereits bekannte Strategie seiner Regierung in Syrien und im Irak. Dabei spielen Luftangriffe gegen Stellungen der Terrormiliz, das Training von Kämpfern, das Trockenlegen der Finanzquellen des IS und das Ziel einer Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien weiter die Hauptrollen. Dass Großbritannien und Deutschland sich an den Luftschlägen gegen IS-Stellungen direkt oder indirekt beteiligen, war Obama ausdrücklich eine lobende Erwähnung wert.

"Wir müssen Muslime zu unseren stärksten Alliierten machen."

Nachdem republikanische Präsidentschaftskandidaten zuletzt ein massives Vorgehen gegen Muslime in Amerika forderten, reichte Obama den Anhängern des Islam dagegen demonstrativ die Hand. "Wir müssen Muslime zu unseren stärksten Alliierten machen und sie nicht wegschicken." Der Islamische Staat stelle schließlich nur eine verschwindend geringe Minderheit der Muslime weltweit dar. Allerdings äußerte der Präsident die klare Erwartung, dass innerhalb der muslimischen Gemeinden in den USA die Kooperation wachse, gegen Radikalisierungstendenzen frühzeitig vorzugehen und mit "glaubwürdigen und effektiven Botschaften die dschihadistische Propaganda zu untergraben".

Unmittelbar nach dem Schlusssatz Obamas ("Frieden ist stärker als Furcht") polterten die Republikaner los: "Enttäuschend", "naiv", "viel zu weich", "unfähig" waren häufig zu hörende Vokabeln. Präsidentschaftskandidat Donald Trump twitterte: "Ist das alles, was er drauf hat?" Rivale Marco Rubio warf Obama vor, sich zu einer Bedrohung für die nationale Sicherheit zu entwickeln. Paul Ryan, der neue starke Mann der Konservativen im Kongress, kündigte für die nächsten Tage eigene Vorschläge an, um der "enorm gewachsenen" Terror-Bedrohung zu begegnen.

Die Rede an die Nation aus dem Oval Office war erst die dritte ihrer Art in Obamas fast siebenjähriger Amtszeit. Zuvor hatte er nur nach der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko und zur Ankündigung des Abzugs der US-Truppen aus dem Irak von dort aus gesprochen.

Neben der Symbolik - das Oval Office gilt als das Zentrum der Macht schlechthin - gab es aber auch ganz profane Gründe für die Ortswahl. Das Weiße Haus ist derzeit großflächig auf Weihnachten hin dekoriert.

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