Demonstration in Garmisch Nadelstiche gegen den G7-Gipfel
GARMISCH-PARTENKIRCHEN · Es könnte losgehen, aber es geht nicht los. Drei Meter und einige Knoten verhindern den Start. Die Polizei will die Auflagen erfüllt sehen, gerade für diesen Demonstrationszug, über den Journalisten aus allen Erdteilen auf ihre Kontinente berichten werden, wie friedlich oder kämpferisch gleich Hundertschaften von gepanzerten Bereitschaftspolizisten und G7-Gegner miteinander umgehen werden.
In diesem Fall des angemeldeten Protestes gegen den Gipfel der mächtigen Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industriestaaten dürfen die Seitentransparente nicht länger als drei Meter und an den Enden jeweils nicht mit dem nächsten Seitentransparent verknotet sein.
Das Aufgebot ist bestellt. Auf dem Bahnhofsvorplatz die Bühne der G7-Gegner, davor die etwa 500 Meter lange Protestbewegung - Friedensaktivisten, Umwelt- und Klimaschützer, Kapitalismuskritiker -, links und rechts der Bahnhofsstraße eine Polizeikette, die an jeder Seitenstraße von dort wartenden Kräften jederzeit verstärkt werden kann und auch verstärkt wird. Es ist heiß. 32 Grad. Es ist schwül. "Dampfig" nennen die Einheimischen eine solche Wetterlage. Aber noch ist nur das Klima "dampfig" und nicht die Stimmung. Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer nennt die Lage "sehr entspannt". Noch hat nur ein 33 Jahre alter Österreicher einen Porzellan-Suppenteller nach einem Beamten geworfen und ein weiterer Demonstrant einen Papp-Panzer in Brand gesetzt. Kammerer freut sich, dass der gefürchtete und stets gewaltbereite "Schwarze Block" kaum zu sehen ist: "Die haben jetzt irgendwie hitzefrei." Das soll sich knapp zwei Stunden später ändern, als sich die Temperatur dieses Protestzuges kurzfristig erhitzt und die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Demonstranten einsetzt, nachdem Flaschen auf Beamte geworfen worden seien.
Am Abend zieht ein Unwetter über Garmisch-Partenkirchen mit dem Basiscamp der G7-Gegner hinweg. Kurzfristig wird erwogen, das Lager zu evakuieren, so stark ist der Wolkenguss. Demonstranten flüchten sich in Bahnunterführungen. In der Bahnhofshalle hüllen sich viele der Protestler in wärmende Thermofolien und spannen Wäscheleinen auf, um ihre durchnässte Kleidung zu trocknen. Am nächsten Morgen geht der Protest weiter. In kleineren Gruppen marschieren sie Richtung Elmau, blockieren dabei immer wieder die Zufahrtstraße B2. Nadelstiche und Fünf-Finger-Taktik wie 2007 in Heiligendamm. Ihr Ziel: So nah wie möglich ans Schloss der Mächtigen.
Was diesen Protest bewegt? Edgar Munz-Schöller (64) trägt einen schwarzen Zylinder, auf den ein Hahn montiert ist. Hut und Hahn haben schon zehn Demos überlebt. Der Rentner demonstriert gegen Massentierhaltung und dagegen, dass der US-Saatgut-Konzern Monsanto "unser Essen versaut". Till (25) und Malte (22) aus Stuttgart, die ihre Nachnamen lieber nicht nennen wollen, glauben, dass "die Sieben für die Probleme dieser Welt stehen und nicht für ihre Lösungen". Sieben Staats- und Regierungschefs, die sich nach Meinung der beiden jungen Männer anmaßen, die Weltordnung zu bestimmen". Dagegen wollen die beiden Stuttgarter "den Kapitalismus revolutionär stürzen".
Auch die "Clowns Army" ist wieder da. Einer der Clowns fuchtelt einer Polizistin mit einer ausrangierten Klobürste vor dem Gesicht herum, ein anderer Clowngenosse, Modell Robinson Crusoe, stiert über Minuten einem Beamten - Nase an Nase - in die Augen. Ein Einheimischer sagt: "Dann geht's halt zum Fasching. Da macht doch bloß jeder seine Arbeit", verteidigt er die Polizisten. Die Chef-Clownin erklärt, sie seien als Clowns wie Kinder und machten alles nach, was sie sehen. Zum Beispiel Polizisten einkesseln.