Streit um die Post in den USA Nancy Pelosi ruft Abgeordnete zurück

Washington · Der Streit um die US-Post unterbricht die Sommerpause des Repräsentantenhauses: Es geht um die Frage, ob die Institution von Donald Trump kaputt gespart wird, sodass sie der Flut von Briefwahlunterlagen nicht mehr Herr werden kann.

 Unter politischem Druck: Durch Änderungen im Betriebsablauf hat sich bei der US-Post die Zustellqualität verschlechtert.

Unter politischem Druck: Durch Änderungen im Betriebsablauf hat sich bei der US-Post die Zustellqualität verschlechtert.

Foto: dpa/Terry Pierson

Es ist eine dramatische Geste, wie sie das amerikanische Repräsentantenhaus nicht alle Tage erlebt. Nancy Pelosi, die Präsidentin der Kammer, holt die Abgeordneten aus der Sommerpause zurück, um sich einem akuten Krisenfall zu widmen. Statt wie geplant im September nach Washington zurückzukehren, werden sie ihren Urlaub nun womöglich schon am kommenden Samstag für eine Dringlichkeitssitzung unterbrechen. Es geht um den United States Postal Service, um USPS, die Post der Vereinigten Staaten. Es geht um die Frage, ob eine Institution, die nicht erst seit heute ein Sorgenkind ist, vom Präsidenten Donald Trump bewusst kaputt gespart wird, sodass sie der zu erwartenden Flut von Briefwahlunterlagen in Zeiten der Pandemie nicht mehr Herr werden kann.

Dazu passt der alarmierende Ton, den die Demokratin Pelosi in einem Schreiben an ihre Parteifreunde in der größeren der beiden Parlamentskammern anschlägt. Überall im Land, schildert sie die Ausgangslage, sehe man die verheerende Wirkung einer Kampagne des Präsidenten, der die Wahl sabotieren wolle, indem er die Post manipuliere. Deren neuer Chef Louis De Joy, ein großzügiger Spender Trumps, habe sich dabei als williger Komplize erwiesen. Er setze Änderungen im operativen Geschäft durch, die zu Verzögerungen bei der Zustellung führten. Ergo könne mit Blick auf das Votum am 3. November nicht mehr garantiert werden, dass Briefe mit Stimmzetteln pünktlich eingehen.

Seit Juni werden auf Anweisung des im Mai ernannten Generalpostmeisters Überstunden nicht mehr bezahlt, was vielerorts zur Folge hat, dass Briefträger ihr Pensum nicht mehr schaffen. Erst am Freitag waren interne Dokumente bekannt geworden, denen zufolge der Post-Konzern die Zahl seiner Sortiermaschinen reduziert.

Zudem hatte es Berichte über den Abbau von Briefkästen gegeben. Pelosi ruft die Demokraten nun dazu auf, Zeichen des Widerstands zu setzen. Am Dienstag sollen sie demonstrativ Postämter in ihren Wahlkreisen besuchen, gegen Ende der Woche gegen den Sparkurs stimmen und kurz darauf Louis De Joy im Kongress einer gründlichen Befragung unterziehen. Gerade in einer Pandemie, wenn sich viele Menschen aus Angst vor der Ansteckungsgefahr nicht in ein Wahllokal trauten, sei die Post entscheidend für das Funktionieren der Demokratie, betont Pelosi. „Amerikaner sollten nicht zwischen ihrer Gesundheit und ihrem Wahlrecht entscheiden müssen.“

Während der USPS-Direktor argumentiert, angesichts von Milliardenverlusten gebe es keine Alternative zum Rotstift, sprechen die Demokraten von einer politisch motivierten Sanierung, die im Interesse Trumps den Argwohn gegenüber dem Briefwählern schüren soll. Seit Wochen polemisiert der Präsident gegen die Stimmabgabe im Umschlag. Was er an die Wand malt, ohne Belege zu liefern, ist das Bild eines Votums, bei dem massiv betrogen wird. In seiner Skizze muss eine solche Wahl zwangsläufig im Chaos enden.

Noch Monate, womöglich Jahre danach werde kein Sieger feststehen, orakelt er. Stimmzettel könnten verloren gehen, massenhaft weggeworfen oder gefälscht werden oder „in großen Haufen“ wie aus dem Nichts irgendwo auftauchen. Zu denen, die am markantesten widersprechen, gehört interessanterweise William McRaven, ein pensionierter Admiral der US-Navy, der 2011 das Kommando über die geheime Militäraktion gegen Osama Bin Laden im pakistanischen Abbottabad hatte.

Donald Trump, schreibt er in der Washington Post, arbeite aktiv darauf hin, „jede größere Institution in diesem Land“ zu untergraben, was auch für die Post gelte. Auf diese Weise säe er Zweifel an ihrer Funktionsfähigkeit, „und wenn die Amerikaner nicht mehr an das System ihrer Institutionen glauben, dann bleibt nichts mehr übrig als das Chaos. Und wer kann Ordnung im Chaos schaffen? Nur Trump allein.“ Der Präsident, so McRaven, folge dem Leitmotiv jedes Autokraten, der entweder die Macht erobern oder sie behalten wolle.

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