Scharfe Regelungen Neues türkisches Anti-Terror-Gesetz verabschiedet

Istanbul · Eine Woche nach Ende des Ausnahmezustands in der Türkei füllt die Regierung die Lücke mit einem neuen Gesetz. Einige Paragrafen schreiben den Notstand fort.

 Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, spricht zu Medienvertretern.

Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, spricht zu Medienvertretern.

Foto: Pool Presidential Press Service/AP

Das türkische Parlament hat für die Zeit nach dem Ausnahmezustand ein Sicherheitsgesetz mit scharfen Regelungen verabschiedet.

Die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten stimmte am Mittwoch für den umstrittenen Gesetzentwurf der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. Die AKP und ihr Bündnispartner, die ultranationalistische MHP, haben im Parlament die absolute Mehrheit. In 27 Paragrafen regelt das Gesetz, wie der Staat den Kampf gegen den Terror auch im Normalzustand weiterführen wird.

Der Ausnahmezustand war vor einer Woche ausgelaufen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte ihn nach dem Putschversuch 2016 verhängt. Im Notstand waren Grundrechte eingeschränkt, Zehntausende Menschen wurden inhaftiert, rund 130 000 Staatsbedienstete entlassen.

Mit dem neuen Gesetz behalten zum Beispiel die Gouverneure Teile ihrer Machtfülle aus dem Ausnahmezustand. Sie sind unter anderem dazu befugt, Menschen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie "die öffentliche Ordnung oder Sicherheit stören", bis zu 15 Tage lang den Zugang zu bestimmten Orten und Regionen zu verwehren. Außerdem sollen sie weiter die Versammlungsfreiheit einschränken dürfen.

Grundsätzlich darf es wie im Ausnahmezustand nach Einbruch der Dunkelheit keine Demonstrationen im Freien mehr geben. Mit dem neuen vage formulierten Argument, dass sie "den Alltag der Bürger nicht auf extreme und unerträgliche Weise erschweren dürfen", gewinnt der Staat eine weitere Möglichkeit, Versammlungen zu verhindern.

Außerdem dürfen Sicherheitskräfte Verdächtige nun zwischen 48 Stunden und zwölf Tagen in Polizeigewahrsam behalten - mehr als vor Beginn des Ausnahmezustands.

Nach den Massenentlassungen aus dem Ausnahmezustand erwartet die Regierung offenbar weitere Kündigungen - der Gesetzestext regelt im Detail, wie Richter, Sicherheitskräfte oder Ministeriumsmitarbeiter entlassen werden können. Wie während des Ausnahmezustands will die Regierung weiter die Pässe all jener, die wegen Terrorverdachts aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert werden, ungültig machen. Das soll weiterhin auch für ihre Ehepartner gelten. Außerdem kann der Staat nicht nur über Verdächtige, sondern auch deren Ehepartner und Kinder Informationen einholen.

Das Gesetz ist außerdem ein Spiegel des tiefen Misstrauens der Regierung gegenüber dem Militär nach dessen Putschversuch im Sommer 2016. Mit einer ganzen Serie von Regelungen ermöglicht es die Kontrolle von Soldaten auf und außerhalb von Stützpunkten.

Anwesend waren am Mittwoch 380 der 600 Abgeordneten der Nationalversammlung in Ankara. Von ihnen stimmten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu 284 für das Gesetz. Oppositionspolitiker, regierungskritische Medien und Menschenrechtsorganisationen hatten gewarnt, die Regierung wolle den Ausnahmezustand unter einem anderen Namen dauerhaft machen. Das Gesetz soll zunächst für drei Jahre gültig sein.

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