Nach Tod von George Floyd Obama stellt sich gegen Trump: „So sind wir nicht“

Analyse |  Washington · Ex-US-Präsident Obama ist nicht der einzige, der die Polizeipraktiken, die zum Tod George Floyds führten, verurteilt. Drei weitere frühere US-Präsidenten stellen sich nun gegen Donald Trump.

 Spricht sich vehement gegen anhaltenden Rassismus und die Benachteiligung Schwarzer aus: der frühere US-Präsident Barack Obama.

Spricht sich vehement gegen anhaltenden Rassismus und die Benachteiligung Schwarzer aus: der frühere US-Präsident Barack Obama.

Foto: dpa/Sven Hoppe

„So sind wir nicht.“ Barack Obama hat den einfachen Satz schon oft gesagt, bereits als der Hoffnung schürende Präsidentschaftskandidat, der versprach, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen, weil es unvereinbar sei mit den Prinzipien eines Rechtsstaats. Seither hat er ihn mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt, meist in Bezug auf das Gefängnis auf Kuba, auch dann noch, als klar war, dass die Konservativen im Kongress dem Präsidenten Obama die Hände binden würden. Nun, da die seit fünfzig Jahren heftigste Protestwelle durch die USA rollt, sagt er es noch einmal. „This is not who we are.“

„My Brother’s Keeper“, ein Netzwerk von Sozialarbeitern, von ihm selber geknüpft, um jungen Männern mit dunkler Haut bessere Perspektiven zu geben, hat am Mittwochabend eine Videoschalte organisiert. Der Altpräsident spricht von Polizeipraktiken, die sich mit Amerikas moralischem Anspruch nicht unter einen Hut bringen ließen: Es gehe nicht an, jemanden bei einer Festnahme in den Würgegriff zu nehmen, weshalb man es per Gesetz verbieten müsse. Dann spricht er, ohne Donald Trump beim Namen zu nennen, von der Widerstandskultur der Republik.

„Man nennt das die amerikanische Revolution“

Wer über die Proteste nach dem Tod George Floyds rede, möge die Entstehungsgeschichte der Vereinigten Staaten bedenken, mahnt Obama. „Dieses Land wurde auf der Basis von Protesten gegründet. Man nennt das die amerikanische Revolution.“ Wann immer das Land seinen Freiheitsidealen einen Schritt näher gekommen sei, sei dies auf eine Weise geschehen, die den Kräften des Status quo nicht behagte. „Wir alle sollten uns bedanken bei Leuten, die bereit sind, friedlich und diszipliniert dort draußen zu sein.“

Noch bemerkenswerter, weil überraschender war, was sich Trump von einem Kriegsveteranen anhören musste, den er zum Superstar verklärte, als er ihm den Ministerposten im Pentagon antrug. James Mattis war einer der Militärs, von denen ein Präsident, der sich einen Fersensporn attestieren ließ, um während des Vietnamkriegs nicht zur Armee zu müssen, gar nicht laut genug schwärmen konnte. Ein Viersternegeneral der Marineinfanterie, Junggeselle, praktisch verheiratet mit der Armee, weshalb ihn Kommentatoren den Kriegermönch nannten. Trump berauschte sich an einem anderen, eher irreführenden Spitznamen des Mannes, der für kompromisslose Stärke zu stehen schien. Mad Dog. Verrückter Hund. Es folgte eine schleichende Entfremdung, die im Dezember 2018 in Mattis‘ Rücktritt gipfelte. In seinen Memoiren übte der Ex-General danach zwar Kritik am „America first“ des Präsidenten, dem er ein flammendes Bekenntnis zu internationalen Allianzen entgegensetzte. Dem persönlichen Konflikt ging er allerdings aus dem Weg. Und genau das ändert sich jetzt.

„Donald Trump will das amerikanische Volk nicht einen“

„Donald Trump ist der erste Präsident meines Lebens, der nicht versucht, das amerikanische Volk zu einen, der nicht einmal vorgibt, es zu versuchen“, schreibt er in einem Beitrag für die Zeitschrift „The Atlantic“. Was man gerade erlebe, sei die Konsequenz von drei Jahren absichtlicher Spaltung, von drei Jahren ohne reife Führung. Als er beim Militär angefangen habe, so Mattis, habe er einen Eid auf die Verfassung geschworen. Niemals habe er sich träumen lassen, dass Soldaten, die denselben Eid abgelegt hätten, befohlen werde, die Verfassungsrechte ihrer Mitbürger zu verletzen. Noch dazu, um dem Commander-in-Chief einen bizarren Fototermin zu ermöglichen.

Worauf Mattis anspielte, brauchte er nicht zu erklären. Es war die Szene vom Montag, als Trump Demonstranten von prügelnden Polizisten aus dem Weg räumen ließ, um vor einer Kirche eine Bibel in die Höhe zu halten. Wie ein Triumphator lief er vom Weißen Haus zu St. John’s Church, der Kirche, in die seit 1816 alle amerikanischen Präsidenten zum Gottesdienst gehen. Zu seinem Tross gehörten Mark Milley, der Generalstabschef, der Tarnuniform und Wüstenstiefel trug, und Mark Esper, der aktuelle Verteidigungsminister. Zwei Tage darauf erinnerte Milley die Kommandeure der Streitkräfte an die Verfassung, die jedem Amerikaner Rede- und Versammlungsfreiheit garantiere.

Esper wiederum, bislang ein eher unauffälliges Kabinettsmitglied, stellte klar, dass er Trump nicht folgen würde, sollte der den Einsatz der Armee gegen Demonstranten befehlen. In Worten, die keinen Raum für Zweideutigkeit ließen, lehnte er es ab, den Insurrection Act anzuwenden, ein Gesetz aus dem Jahr 1807, das es dem Staatschef gestattet, im Falle von Unruhen Soldaten marschieren zu lassen, notfalls auch über die Köpfe von Gouverneuren hinweg, die es anders sehen. Dies dürfe nur der letzte Ausweg in einer absoluten Notlage sein, betonte Esper, um hinzuzufügen: „In einer solchen Lage befinden wir uns nicht“. Dass er die Worte vom Blatt ablas, dass er sorgfältig zu Papier gebracht hatte, was er sagen wollte, soll den Kreis engster Vertrauter um Trump nach Berichten amerikanischer Medien besonders erzürnt haben. So habe das Weiße Haus nicht behaupten können, dass es sich um eine spontane, eher unbedachte Wortmeldung handelte.

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