„Das stellt Watergate in den Schatten“ Obamagate: Was steckt hinter Trumps Verschwörungstheorie?

Washington · US-Präsident Donald Trump verbreitet vage Verschwörungstheorien über seinen Vorgänger Barack Obama. Er habe sich eines Verbrechens schuldig gemacht, das schlimmer als Watergate sei. Was steckt dahinter?

 November 2016: Unmittelbar nach seinem Wahlsieg trifft Donald Trump auf den damals amtierenden US-Präsidenten Barack Obama. Die Symbolkraft des Bildes hält bis heute an.

November 2016: Unmittelbar nach seinem Wahlsieg trifft Donald Trump auf den damals amtierenden US-Präsidenten Barack Obama. Die Symbolkraft des Bildes hält bis heute an.

Foto: picture alliance / dpa/Michael Reynolds

Kaum war er von seinem Vorgänger kritisiert worden, konterte US-Präsident Donald Trump auch schon mit einem Tweet. Diesmal mit einem einzigen Wort, allerdings in Großbuchstaben. „OBAMAGATE!“, schrieb er, nachdem Barack Obama im Video-Grußwort für eine Uni-Abschlussfeier angemerkt hatte, diese Pandemie habe der Überzeugung ein Ende gesetzt, wonach „Leute, die in der Verantwortung stehen, wissen, was sie tun“. Die Replik: „OBAMAGATE!“

Folgt man Trump, hat sich sein Vorgänger eines Verbrechens schuldig gemacht, das angeblich sogar Watergate in den Schatten stellt, den Skandal, der Richard Nixon 1974 zum Rücktritt zwang. Details nennt er kaum, was er stattdessen schürt, ist eine Art Generalverdacht. Demnach soll Obama seine letzten Wochen im Oval Office hauptsächlich damit verbracht haben, Fallstricke für seinen Nachfolger auszulegen.

Trump sollte stolpern, das Establishment wollte sich rächen an einem Außenseiter, dem es den Wahlsieg nicht gönnte. In der Komplott-Theorie war es Obama, der die Strippen zog, als das FBI der Frage nachging, ob das Team des Wahlsiegers geheime Absprachen mit Russland traf. „Das größte politische Verbrechen der amerikanischen Geschichte, mit großem Abstand“, twitterte Trump vor ein paar Tagen, während er seinen 80 Millionen Followern einen Podcast des konservativen Moderators Buck Sexton ans Herz legte. Sexton, ein ehemaliger CIA-Analyst, hatte von dem Versuch Obamas gesprochen, die Arbeit der neuen Regierung zu sabotieren.

Die Attacke aus heiterem Himmel, zu einer Zeit, da die Krise eigentlich keine Zeit für Scharmützel lassen sollte, zeigt einmal mehr, wie sehr sich Trump über die Abgrenzung von Obama definiert. Es war eine Flüsterkampagne gegen den ersten US-Präsidenten mit dunkler Haut, mit der er 2011 seine Wandlung vom Reality-Fernsehstar zum politischen Hauptdarsteller einläutete. Damals setzte er sich an die Spitze der „Birther“-Bewegung, die behauptete, Barack Hussein Obama sei gar nicht auf amerikanischem Boden geboren, weshalb er zu Unrecht im Weißen Haus residiere. Später kritisierte er das Atomabkommen mit dem Iran nicht nur als schlechtesten Deal der Geschichte, er unterstellte Obama auch die Naivität eines blutigen Amateurs, der sich von Profis über den Tisch ziehen ließ.

Als schließlich das Coronavirus offenbarte, wie schlecht das Land auf eine Pandemie vorbereitet war, gab er, neben China, auch seinem Vorgänger die Schuld. Der habe in den staatlichen Zentren der Epidemie-Bekämpfung nichts als leere Regale hinterlassen, wetterte Trump, obwohl er zu dem Zeitpunkt seit nunmehr drei Jahren selbst die Verantwortung für besagte Zentren trug.

Trump macht kaum Angaben zu dem vermeintlichen Skandal um Obama

„Ein Präsident, dessen politische Karriere mit einer Obama-Verschwörungstheorie begann, versucht sie mit einer weiteren zu verlängern“, kommentiert David Remnick, Chefredakteur des Journals „The New Yorker“.

Wird Trump zumindest ansatzweise konkret, spielt er an auf die Causa Michael Flynn, auf Telefonate, die sein designierter Sicherheitsberater im Dezember 2016 mit Sergej Kisljak, dem russischen Botschafter, führte. Nachdem das Kabinett Obamas Sanktionen gegen Russland verhängt hatte, riet Flynn dazu, von einer Retourkutsche abzusehen: Demnächst werde man ohnehin alles auf den Prüfstand stellen. Da Telefonate russischer Botschafter in Washington von der National Security Agency offenbar lückenlos abgehört werden, war bald auch das Weiße Haus informiert. Und da der Name des damaligen Gesprächspartners Kisljaks in der Abschrift geschwärzt war, gaben hohe Regierungsmitarbeiter Anweisung, ihn offenzulegen. In der Folge begann das FBI gegen Flynn zu ermitteln.

Folgt man den Berichten amerikanischer Medien, handelt es sich bei der Enttarnung um einen Routinevorgang, wie er auch unter Trump etliche Male praktiziert worden ist. Um aber die Komplott-These zu erhärten, drängte Richard Grenell, kommissarischer Geheimdienstkoordinator und im Nebenjob Botschafter in Deutschland, vergangene Woche auf die Herausgabe der Namen jener Offizieller, die sich seinerzeit nach der Identität des Mannes erkundigten, der mit Kisljak gesprochen hatte. James Comey, der damalige FBI-Direktor, war einer von ihnen. Ein anderer war Obamas Stellvertreter Joe Biden.

Warum das auf einen Skandal von Watergate-Dimensionen hinausläuft, hat Trump noch nicht erklärt. Von einem Reporter der „Washington Post“ gefragt, was er Obama denn nun genau vorwerfe, antwortete er mit einer Mischung aus Wortnebel und Angriffslust. Es sei eine Schande, dass etwas derart Schreckliches habe passieren können, man dürfe nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschehe. „Sie wissen, worin das Verbrechen bestand. Das Verbrechen ist offensichtlich für jeden. Sie brauchen nur Zeitung zu lesen, außer der Ihren.“

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