Kommentar zur Flüchtlingspolitik Offene Wunde der EU

Meinung | Brüssel · Migranten haben ein Handelsschiff gekapert und es nach Malta gebracht. Der Fall macht deutlich, wie sehr in der Flüchtlingspolitik fast alle versagt haben, kommentiert GA-Korrespondent Detlef Drewes.

 Maltesische Soldaten haben die Kontrolle über den Tanker mit Migranten an Bord übernommen.

Maltesische Soldaten haben die Kontrolle über den Tanker mit Migranten an Bord übernommen.

Foto: AP

Es hat keine 24 Stunden gedauert. Dann war klar, wie falsch es ist, die EU-Aktion „Sophia“ im Mittelmeer zu stoppen. Dass Migranten ein Handelsschiff kapern und es regelrecht nach Malta entführen, hat es noch nie gegeben. Es könnte der erste Fall einer weiteren Eskalation in den Gewässern zwischen Italien, Malta und der nordafrikanischen Küste sein.

Dass sich am Donnerstag auch der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge besorgt über das Aus des EU-Marine-Einsatzes zeigte, ist verständlich. Italien steht im Mittelpunkt der Kritik, weil Innenminister Matteo Salvini die Häfen de facto für Flüchtlinge gesperrt hat. Und trotzdem wäre es falsch, den rechten Lega-Nord-Politiker zum Alleinschuldigen zu erklären. Jahrelang haben die europäischen Partner alle Kompromisse über eine Verteilung der Hilfesuchenden blockiert. Immer wieder machte Rom mit untauglichen und nicht abgesprochenen Aktionen auf seine Überlastung aufmerksam – und wurde von den Partnern sitzengelassen. Das war nicht nur unsolidarisch, sondern auch höchst unklug, wie sich heute zeigt.

Die italienische Regierung sieht im Rückgang der Flüchtlingszahlen inzwischen sogar ein erwünschtes Ergebnis ihrer Abschottungspolitik. Ob sie diese Linie durchhalten kann, wenn das Wetter wieder besser wird, wenn wieder mehr Flüchtlinge in marode Boote steigen, kentern und Hunderte ertrinken?

Das Mittelmeer bleibt eine offene Wunde im Fleisch der EU und macht deutlich, wie sehr – mit ganz wenigen Ausnahmen, darunter Deutschland – alle versagt haben. Brauchen die Widerständler in der Europäischen Union denn wirklich erst wieder Katastrophen mit etlichen hundert Opfern, ehe sie ihre Menschlichkeit entdecken?

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