Kommentar zur Flüchtlingsproblematik Ohnmächtige EU

Meinung | Brüssel · Die Maßnahmen der EU gegen den Flüchtlingsstrom reichen nicht aus. Es ist das Bild einer hilflosen, ja ohnmächtigen Gemeinschaft, das Europa ausmerzen muss. Aber die Chancen dazu sind gering.

Ausgerechnet der wichtigste nordafrikanische Partner, den man für den Kampf gegen Menschenschmuggler und die endlose Karawane der Flüchtlinge braucht, ist politisch nicht existent. So lange in Libyen der blutige Machtkampf zweier rivalisierender Regierungen tobt, hat Brüssel niemanden, mit dem man über Grenzschutz, die Rücknahme von Hilfesuchenden und vor allem Wirtschaftsflüchtlingen verhandeln kann.

Den europäischen Marineeinheiten bleibt kaum mehr, als außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone auf die seeuntüchtigen Boote zu warten, um deren Insassen vor dem nassen Tod zu retten. Es ist eine perfide Strategie der kriminellen Schleuser, die ihre Opfer nur noch bis in die Nähe der europäischen Retter schaffen müssen, denen gar nichts anderes übrigbleibt, als die Menschen dann an Bord zu nehmen. Die internationalen Bemühungen zur Befriedung Libyens sind bislang ausnahmslos gescheitert. Es scheint niemanden zu geben, der genügend Einfluss hat, um den Staat zu stabilisieren. Die selbst ernannten Ordnungsmächte der Region fallen de facto ebenfalls aus.

Europa sind die Hände gebunden. Zwei Wochen vor dem nächsten Flüchtlingsgipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs auf Malta ist absehbar, dass die Gemeinschaft einmal mehr wenig bewegen kann.

Das afrikanische Führungspersonal hat – bis auf wenige rühmliche Ausnahmen – längst erkannt, wie man die Not der Europäer für die eigenen Zwecke instrumentalisieren kann. Die EU hat kaum mehr anzubieten, als immer noch mehr Geld, das an strikte Auflagen gebunden ist. Dennoch lässt sich der Preis für ein Einlenken trefflich in die Höhe treiben, ehe man sich zur Zusammenarbeit mit der Union verpflichten muss.

Für Europa ist das bitter, hatte man doch lange Jahre geglaubt, sich sozusagen einen besonderen Platz auf dem schwarzen Kontinent gesichert zu haben und über gute Drähte zu den Herrschern und Machthabern zur verfügen. In der Krise aber stellt man fest, dass weder die hochgelobte Mittelmeer-Union noch die längst in Vergessenheit geratenen Prozesse zur Entwicklung des Kontinents etwas gebracht haben. Dennoch bleibt dem Westen keine andere Chance, als auf Kooperation zu setzen, um einerseits demokratische Reformen auszulösen, die sich in wirtschaftliche Verbesserung niederschlagen, so dass am Ende möglichst viele Fluchtgründe wegfallen. Dabei weiß man genau, dass ein solcher Prozess nicht binnen kurzer Zeit zu haben ist.

Was bedeutet, dass der Flüchtlingsstrom aus dem Süden weiter anhalten dürfte, wenn es nicht gelingt, die Grenzen besser zu schützen. Aussichtslos nennen viele die Situation vor dem Treffen der europäischen Staatenlenker auf Malta – und sie haben Recht.

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