Bundeskanzler Scholz besucht US-Präsident Biden Unterhaken in Washington

Washington · Bundeskanzler Olaf Scholz fordert bei seinem Besuch in Washington Republikaner und Demokraten in den USA auf, weiter Militärhilfe für die Ukraine zu leisten.

Bundeskanzler Olaf Scholz nach seiner Ankunft in Washington.

Bundeskanzler Olaf Scholz nach seiner Ankunft in Washington.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Zehn Flugstunden hin und zehn Flugstunden zurück – für den Bundeskanzler ist der lange Weg von Berlin nach
Washington in diesen Tagen besonders viel wert. 60 Minuten und vielleicht noch etwas mehr hat er an diesem Freitagnachmittag, um mit dem mächtigsten Mann der Welt über die immer bedrohlichere Lage in der Ukraine und in Nahost zu sprechen. Es ist das dritte Mal, dass Olaf Scholz US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus besucht. Der SPD-Politiker trifft den 81-Jährigen im Oval Office zu einer Zeit, in der es auch in Washington hoch her geht: Biden ringt mit dem US-Kongress um weitere Militärhilfen für die Ukraine – und im Wahlkampf muss er sich gegen die Attacken von Donald Trump wehren, der mit großer Wahrscheinlichkeit sein Herausforderer bei der US-Wahl am 5. November sein wird.

Biden und Scholz – sie ticken ähnlich, wenn es um die Einschätzung der angespannten Weltlage geht, in der die Demokratien zunehmend in die Defensive geraten. Sie schätzen sich, vertrauen einander und bezeichnen sich als enge Freunde. Beide sind angeschlagen und stehen innenpolitisch unter Druck. Dieser wohl letzte Besuch des Kanzlers in der zu Ende gehenden, ersten Amtsperiode Bidens ist auch ein Versuch, sich unterzuhaken, sich Kraft zu spenden, um gemeinsam aus der Defensive zu kommen.

Vertauschte Rollen im Umgang mit dem Ukraine-Krieg

Nur dass dieses Mal die Rollen vertauscht sind, wenn es um die Ukraine geht: Galt Scholz nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 zunächst als Zauderer, weil er lange mit Waffenlieferungen zögerte, so ist er jetzt zum Antreiber geworden. „Wir müssen unser Möglichstes tun, um zu verhindern, dass Russland siegt“, schrieb er in einem Gastbeitrag für das „Wall Street Journal“ vor seinem Besuch bei Biden. „Wenn wir das nicht tun, könnten wir bald in einer Welt aufwachen, die noch instabiler, bedrohlicher und unberechenbarer ist als während des Kalten Krieges.“

Die US-Administration erkenne an, wie sehr sich Deutschland in der Ukraine jetzt engagiere, hieß es vor dem Besuch von Scholz im Weißen Haus. Der Kanzler hat für Biden eindrucksvolle Zahlen aus Europa mitgebracht: Seit Kriegsbeginn in der Ukraine habe Deutschland das von Russland überfallene Land bis Ende des Jahres alleine mit insgesamt fast 30 Milliarden US-Dollar unterstützt. Und der jüngste EU-Gipfel hat der Ukraine, nachdem der Widerstand Ungarns gebrochen war, weitere 50 Milliarden Euro bis 2027 sowie Beitrittsverhandlungen zugesichert. Nun gehe es darum, dass auch die USA die Unterstützung fortsetzen, mahnt Scholz.

Biden hat Schwierigkeiten Ukraine-Hilfen durchzusetzten

Doch Biden hat große Probleme, die weitere Ukraine-Hilfe der USA durch den US-Kongress zu bringen. Im Hintergrund lenkt Trump die Republikaner im Parlament, um den Präsidenten zu schwächen, wo er nur kann. Im US-Senat scheiterte durch den Einfluss Trumps bereits am Mittwochabend ein erstes Maßnahmenpaket, in dem 60 Milliarden US-Dollar für die Ukraine vorgesehen waren. Nun soll es eine neue, veränderte Abstimmung geben. Immerhin feierte Biden unmittelbar vor dem Gespräch mit Scholz einen Teilerfolg: So nahm der US-Senat den neuen Gesetzentwurf zur Beratung an, der Militärhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan im Umfang von 88,5 Milliarden Euro (95,34 Milliarden US-Dollar) vorsieht. Wann die Kammer endgültig darüber abstimmt, ist offen. Und die ebenfalls nötige Zustimmung des Repräsentantenhauses ist unsicher.